Pädagogik und Psychologie

„Lernen lernen“ – ein Thema für die integrative Lerntherapie?

Unter der Überschrift „Lernen lernen“ geht darum, dass Kinder und Jugendliche allgemeine methodische Fähigkeiten entwickeln sollten, die unabhängig davon angewandt werden können, was es gerade zu lernen gibt.

von Dr. Lorenz Huck

Bei „Lernen lernen“ wird die Frage betrachtet, wie man lernen sollte. Dabei ist es egal, ob es gerade um Englisch-Vokabeln, die Hauptstädte Europas oder Merkmale der Spinnentiere geht. Statt „Lernen lernen“ werden manchmal auch andere Schlagworte wie „Methoden-Training“ gebraucht. „Lernen lernen“ wird meist als ein Sammelbegriff für unterschiedliche Fähigkeiten genutzt: von der übersichtlichen und sauberen Heftführung über sachgerechtes Unterstreichen und Lesestrategien bis hin zu Vortrags- und Präsentationstechniken.

Kann „Lernen lernen“ ein Ziel in der integrativen Lerntherapie sein?

Brauchen Kinder und Jugendliche mit einer Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche allgemeine methodische Kompetenzen, um ihre Schwierigkeiten abzumildern oder zu überwinden? In gewisser Hinsicht ist das mit Sicherheit so. Zu einer Lerntherapie an den Duden Instituten für Lerntherapie gehört es z. B. sehr regelmäßig, dass Kinder und Jugendliche in altersgerechter Form die wichtigsten Einpräge-Strategien kennenlernen. Grob kann man diese mit den Begriffen Wiederholen, Verknüpfen und Ordnen umschreiben.

Ein Beispiel: Wenn Sie möchten, beschäftigen Sie sich einmal selbst mit der folgenden Abbildung: Wie würden Sie vorgehen, um sich einzuprägen, was hier abgebildet ist? Die Erfahrung aus vielen Hundert Veranstaltungen mit erwachsenen Teilnehmenden zeigt, dass die allermeisten Erwachsenen für sich eine Ordnung herstellen, z. B. anhand von Kategorien wie „Tiere“, „Werkstatt“ und „Küche“. Das ist nachweislich eine sehr effektive Strategie, die Kinder aber erst erlernen müssen.

Grundsätze für häusliches Lernen in der Lerntherapie lernen

Jedes Therapiekind sollte aus der Lerntherapie auch allgemeine Grundsätze für die Gestaltung von häuslichen Lernsituationen mitnehmen, z. B.:

  • Mehrere, relativ kurze Wiederholungen sind effektiver als eine lange Lern-Sitzung.
  • Aufgaben und Fragen zu einem Text zu bearbeiten ist effektiver als wiederholtes Lesen.
  • Regelmäßige Pausen sind ebenso wichtig wie regelmäßige Bewegung und frische Luft.
  • Rollenspiele simulieren Einkaufssituationen oder üben den Umgang mit der Uhr.

<Link/Verweis auf das Interview mit Grolimund und Rietzler>

Dass diese und einige andere allgemeine methodische Kompetenzen in der Lerntherapie vermittelt werden, ergibt sich aus ihrem integrativen Anspruch: Kinder und Jugendliche sollen zur selbstständigen Bewältigung typischer Entwicklungsaufgaben in Schule und Alltag befähigt werden. Durch einen zu engen Fokus auf bestimmte Inhalte ist das nicht zu erreichen.

„Lernen lernen“ ist wichtig – Lerntherapie umfasst mehr

Viele Probleme von Kindern mit LRS oder Rechenschwäche haben sehr spezifische Ursachen. Sich in der Lerntherapie ausschließlich auf die Vermittlung methodischer Kompetenzen zu verlassen, wäre sicherlich nicht ausreichend. Um Texte sinnverstehend lesen, Rechtschreibstrategien anwenden oder Zahlvorstellungen entwickeln zu können, brauchen Kinder spezifische Lernumgebungen, Anregungen und Hilfestellungen, die sich je nach dem Entwicklungsstand des Kindes und den Anforderungen des jeweiligen Lerngegenstands unterscheiden. Beispielsweise reicht es sicherlich nicht aus, einem Kind, das Schwierigkeiten hat, sich die Einmaleins-Aufgaben zu merken, in allgemeiner Form Einpräge-Strategien zu vermitteln. Es muss geklärt und erarbeitet werden, wie allgemeine Methoden auf das Einmaleins angewendet werden können, z. B. welche Gesichtspunkte beim Ordnen und Verknüpfen von Aufgaben nützlich sind. So mag manchem Kind die Überlegung helfen, dass es eine sogenannte Schlüsselaufgabe kennt: „6 x 6 = 36 kann ich mir besser merken, weil ich 5 x 6 = 30 bereits sicher weiß.“ Für ein anderes Kind ist diese Überlegung vielleicht überhaupt nicht hilfreich, weil bestimmte Voraussetzungen (noch) fehlen. In einer integrativen Lerntherapie allgemeine Lernstrategien zu thematisieren ist also durchaus nützlich. Man muss dabei aber den Bedarf, den Kinder, Jugendliche und ihre Familien sehen, ebenso berücksichtigen wie den Entwicklungsstand und die Anforderungen des Lerngegenstands.

Lerntipps auch hinterfragen

Bei einigen Angeboten und Versprechungen aus dem Bereich fachübergreifender Lerntipps ist auch eine kritische Haltung angebracht. Weit verbreitet ist z. B. der Glaube, dass man jedem Kind einen Lerntyp zuordnen kann: Ein Kind soll z. B. dem „visuellen Lerntyp“ angehören, wenn es gerne durchs Betrachten von bildlichen Darstellungen lernt, oder dem „auditiven Lerntyp“, wenn es lieber zuhört. Tatsächlich ist aber nicht nachweisbar, dass sich Lernergebnisse verbessern, wenn man Informationen ausschließlich oder überwiegend über den bevorzugten Sinneskanal präsentiert bekommt.

Über den Autor:

Dr. Lorenz Huck ist Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Interdisziplinäre Integration der Duden Institute für Lerntherapie.