Lese-Rechtschreib-Schwäche

Buchrezension: Das mehrsprachige Klassenzimmer

Dr. Astrid Schröder empfiehlt das Buch besonders Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern, die täglich mehrsprachigen Kindern begegnen.

Krifka, M., Blaszak, J., Leßmöllmann, A., Meinunger, A., Stiebels, B., Tracy, R., & Truckenbrodt, H. (Hrsg.) (2014). Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.

Rezension von Astrid Schröder

Das „mehrsprachige Klassenzimmer“ richtet sich insbesondere an Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer, die ihre mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler, aber auch deren deutschsprachige Mitschüler sprachlich fördern wollen. Es lädt dazu ein, den „Schatz“ der Mehrsprachigkeit, der nach Angaben der Autoren in den Klassenzimmern „schlummert“, zu entdecken und für den eigenen Unterricht zu nutzen.

Die ersten zwei Kapitel liefern interessantes Hintergrundwissen zu den gesellschaftlichen Entwicklungen der Mehrsprachigkeit und zum Spracherwerb von mehrsprachigen Kindern. Das dritte Kapitel erläutert zunächst wichtige Eigenschaften der deutschen Sprache. Die Struktur dieses Kapitels (Allgemeines, Schrift und Aussprache, Wort- und Satzbildung) findet sich dann in den nachfolgenden Kapiteln wieder: Von Albanisch bis Vietnamesisch werden in den 15 folgenden Kapiteln die Besonderheiten der insgesamt 26 Sprachen, die an Deutschlands Schulen am häufigsten gesprochenen werden, skizziert.

Für jede dieser Sprachen kann das Hintergrundwissen aus den einzelnen Kapiteln dazu genutzt werden, um die Fehler, die beim Deutschlernen entstehen, besser zu verstehen und anzugehen. Denn die Kenntnisse aus der Herkunftssprache übertragen sich in die Zweitsprache! So ist es beispielsweise für Kinder aus russischen oder türkischen Familien besonders schwierig, den bestimmten Artikel (die Milch, der Saft) zu erwerben, weil es diese in ihrer Muttersprache gar nicht gibt. Ein spanisches Kind hat vielleicht besondere Probleme mit den deutschen Umlauten ä, ö und ü, die ein türkisches Kind gut meistert, gibt es doch in der Herkunftssprache zumindest ein ö und ein ü. Hingegen ist die Vokallänge, die im Deutschen über die Bedeutung von Wörtern und deren Rechtschreibung mit entscheidet (z. B. Hüte vs. Hütte), im Türkischen als systematische Unterscheidungsstrategie unbekannt. Im Deutschen werden Fragepronomen (wer, wie, wo) an den Satzanfang gerückt, in anderen Sprachen (z. B. im Japanischen) aber nicht. Während ein deutsches Kind auf die Frage „Was willst Du tun?“ vielleicht „Ball spielen“ antworten würde, würde ein englisches Kind auf die gleiche Frage hin in der Antwort das Objekt hinter dem Verb platzieren: to play ball.

Den Autoren gelingt es, die linguistischen Besonderheiten der Einzelsprachen, aber auch Informationen zu Kultur und Geschichte der Herkunftsländer verständlich und spannend zu erklären. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden mit Beispielen und Cartoons in Randnotizen nachvollziehbar gemacht. Jedes Kapitel enthält einen gesonderten Überblick über besondere Schwierigkeiten, die für Sprecher der jeweiligen Herkunftssprachen beim Deutschlernen entstehen können – auch in Bezug auf die deutsche Orthografie. Ein Glossar fasst die linguistischen Fachbegriffe noch einmal zusammen. Der ausführliche Index könnte während der Unterrichtsvorbereitung beispielsweise dazu genutzt werden, um bestimmte Themen wie die Doppelkonsonanz oder Wortstellung in Nebensätzen auch unter Einbezug der Herkunftssprache zu behandeln.

Dieses Buch trägt auf eindrucksvolle Weise dazu bei, den Reichtum der Mehrsprachigkeit – also das Beherrschen von zusätzlichen Sprachen für Schülerinnen und Schüler – erfahrbar zu machen. Innere Barrieren beim Deutschlernen können so überwunden bzw. vermieden werden. Ein faszinierendes Buch, das dazu anregt, die Sprachenvielfalt unserer mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler zu entdecken.

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