Rechenschwäche

Spielen mit Mathematik

Was können spielerische Aktivitäten beim Mathematiklernen leisten? Was macht spielerisches Lernen aus? Welche Spiele eignen sich? Jana Köppen widmet sich diesen Fragen.

von Jana Köppen

Seit 2019 ruft die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) für den 14. März den Internationalen Tag der Mathematik aus. Er soll auf die Bedeutung und zentrale Rolle der Mathematik für die Menschheit hinweisen. In jedem Jahr steht der Tag unter einem anderen Thema (z. B. „Mathematik vereint“, „Mathematik für eine bessere Welt“, „Mathematik für alle“). Im Jahr 2024 steht der Internationale Tag der Mathematik unter dem Motto „Spielen mit Mathematik“. In diesem Beitrag wollen wir daher auf mathematische Spiele, Rätsel und andere unterhaltsame Aktivitäten aufmerksam machen. Daneben kann es aber auch um das „Spielen“ mit der Mathematik selbst gehen, das Erforschen, Experimentieren und Entdecken.

Was können spielerische Aktivitäten leisten? Spielen mit Mathematik kann als ein weit gefasstes Feld von Betätigungen verstanden werden. Aufgabe von Lehrkräften und Lerntherapeutinnen ist es, Interesse an Mathematik zu erzeugen, passende Herausforderungen und Erfolge zu schaffen sowie Anerkennung zu vermitteln. Dass in spielerischen Situationen Freude und Interesse geweckt werden können, wird niemand anzweifeln. Gerade für Kinder mit Lernschwierigkeiten kann es in Spielszenarien gelingen, Vermeidungstendenzen zu überwinden und Vertrauen in das eigene Wirken wiederzuerlangen. Der Umgang mit Mathematik braucht Intuition und Kreativität – auch dazu kann das spielerische Tun ermutigen. Aber auch der eigene Antrieb und die Beharrlichkeit können gestärkt werden, wenn Herausforderung und Spielidee das Kind ansprechen. Der eigene Erfolg – der nicht mit dem Gewinnen gleichzusetzen ist – führt zur Erfahrung der Selbstwirksamkeit und erfüllt Grundbedürfnisse nach Kompetenz, sozialer Eingebundenheit und Autonomie (Deci & Ryan, 1993).

Viele hilfreiche Spiele fördern die Aufmerksamkeitsspanne, regen zur Entwicklung von Strategien an und tragen inhaltlich zur Förderung von Raumvorstellungen und Abstraktionsfähigkeit bei. Obgleich es das wichtigste Ziel ist, dass Kinder Vorstellungen, Einsichten und Zusammenhänge zu mathematischen Inhalten erwerben, müssen immer wieder auch Abläufe geübt und Routinen geschaffen werden. Diese Überlegung veranlasst Lehrkräfte und Lerntherapeutinnen oft dazu, auch das Rechnen in verschiedenen Spielen zu üben. Bei dieser Zielstellung muss jedoch genau geprüft werden, ob die Voraussetzungen des Lernenden zur Spielidee passen.

Was macht spielerisches Lernen aus? Viele Übungen können mit einem spielerischen Charakter versehen werden, wenn sie in ein Rollenspiel umgewandelt werden. Das ermöglicht den Beteiligten einen Perspektivwechsel, wobei Bezüge zu realen Erfahrungen hergestellt werden können. Ein Rollentausch führt dazu, dass das Kind in die Rolle des Aufgabenstellers versetzt wird und mitspielende Personen vor echte Fragen gestellt werden. Für ein Kind sollte mindestens anzunehmen sein, dass eine erwachsene Person die Fragen nicht sofort (und sicher) beantworten kann. Beispiele dafür können sein:

  • Sich gegenseitig Zahlen auf den Rücken schreiben, die erkannt werden müssen. Dabei wird auch auf das Schreiben der Zahlen von links nach rechts Wert gelegt.
  • Mit zwei (drei) Spielwürfeln würfeln, die Punktezahl mitteilen. Die Mitspieler müssen durch Fragen die Zusammensetzung der Punktbilder erfragen.
  • „Ich sehe etwas, dass du nicht siehst, und das hat die Form eines Würfels (…).“
  • Rollenspiele simulieren Einkaufssituationen oder üben den Umgang mit der Uhr.

Einen anderen Charakter haben mathematische Spielideen in Form von Karten- oder Brettspielen, die im Handel zu erwerben sind. Sie geben Regeln an, die erfasst und eingehalten werden sollen. Beim Einsatz solcher Spiele ist es wünschenswert, dass Kinder aktiv werden, indem sie Änderungen an den Regeln einbringen, ausprobieren und reflektieren. Schließlich können eine Reihe klassischer Spielideen wie Memory, Bingo oder Ereignisfeld-Spiele für das Üben mathematischer Inhalte genutzt werden.

Die der Mathematik innewohnende Ästhetik kann zum Knobeln in Zahlenrätseln, „schönen Päckchen“ und logischen Quadraten oder zur Herstellung attraktiver geometrischer Produkte wie Parkette, Muster oder ansprechenden Konstruktionen mit geometrischen Formen genutzt werden. Auch hier müssen die Voraussetzungen der Lernenden für das jeweilige Spielen mit Mathematik überprüft werden – andernfalls wird keine Freude entstehen.

Spiele für Kinder mit Lernschwierigkeiten?

Für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten klingt es nicht naheliegend, Spaß an einem Spiel zu haben, das mit Mathematik zu tun hat. Einige berichten, dass sie keine Freude an Spielen haben, bei denen man rechnen muss. Das Kind fühlt sich unter Druck und der Spielverlauf verzögert sich, wenn das Rechnen lange dauert. Auch ist es wenig sinnvoll, im Spiel das Rechnen zu üben, wenn Lernende noch keine tragfähigen Rechenstrategien aufgebaut und das zählende Rechnen noch nicht überwunden haben. Ein Spiel, das die Aussicht haben soll, gerne und mit Gewinn gespielt zu werden, sollte an den Lernstand des Kindes angepasst werden können und Möglichkeiten der Differenzierung enthalten. Würfelspiele wie „Kniffel“ oder „Quixx“ bieten Gelegenheiten, Anzahlen (Würfelbilder) zu erfassen und Zählübungen durchzuführen. Bei einem Spiel zum kleinen Einmaleins kann ergänzend ein Blatt mit den auftretenden Aufgaben und Ergebnissen erstellt werden, an dem sich das Kind orientieren kann.

Abb.: Jana Köppen sind Spiele in der Lerntherapie sehr wichtig. Sie fand auch in der Corona-Zeit Möglichkeiten dafür.

Neben Spielen, die der Handel anbietet, um das Rechnen zu üben, gibt es eine Vielzahl von spielerischen Aktivitäten, die allen gefallen können. In der Lerntherapie ist es wichtig, dass Spiele einfach vorzubereiten, durchzuführen und von der Dauer her anpassbar sind. Der Bezug zur Mathematik soll den Kindern ersichtlich werden. Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten setzen Mathematik oft mit Rechnen gleich. Dass ein Würfel- oder Bauspiel ebenfalls Mathematiklernen beinhaltet, ist ihnen oft nicht bewusst. Es sollte besprochen werden, welche fachlichen Ziele mit einem bestimmten Spiel angestrebt werden.

Natürlich kann Mathematiklernen nicht allein über Spiele erfolgen. Es braucht darüber hinaus auch die schriftlichen Darstellungen, die typisch sind für die Sprache der Mathematik und separat gelernt werden müssen. Dennoch können Spiele dazu beitragen, dass Spaß und Kreativität keinen Widerspruch zum Mathematiklernen bilden.

Einige empfehlenswerte Spiele sind:

Geistesblitz (Zoch GmbH) fördert Konzentration, Abstraktion und sprachlich-logische Fähigkeiten, für Kinder ab ca. 8 Jahren bis etwa 13 Jahre.

Zatre (Amigo) fördert das Erkennen von Anzahlen, für Kinder ab 8 J.

Kismet (Abacusspiele) fördert das Erkennen von Anzahlen, für Kinder ab 8 J.

MakeʼnʼBreak (Ravensburger) – in diversen Varianten – fördert Raumvorstellungen, Koordination, Aufmerksamkeit, für Kinder ab ca. 8 J.

Beispiele für Literatur für Lehrkräfte: Wälti, B./Schütte, M./Friesen, R.-A. (2020). Mathematik kooperativ spielen, üben, begreifen Bd. 1b. Hannover: Klett/Kallmeyer

Demnächst erhältlich: Wälti, B./Schütte M./Böckmann, R./Ludes-Adamy, P./Odermatt, C./Simonini-Widmann, M./Tanner, A. (2024). Mathematik kooperativ spielen, üben, begreifen 1a. Hannover: Klett/Kallmeyer

Quelle: Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung in der Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik 39, 2, S. 223–238

Informationen zum Internationalen Tag der Mathematik finden Sie hier: Beim Bildungsserver und bei der Internationalen Mathematischen Union

Über die Autorin

Jana Köppen

Jana Köppen ist Leiterin des Fachbereichs Mathematik der Duden Institute für Lerntherapie.