Rechenschwäche

Den Einstieg in das schulische Mathematiklernen erleichtern

Damit der Übergang vom Kindergarten in die Schule gelingt, hat Sonderpädagogin Carmen Blätter an einer Brandenburger Grundschule ein spannendes Projekt entwickelt. Wir werfen einen Blick darauf, was das für das Mathematiklernen bedeutet.

Jana Köppen befragte Carmen Blätter, Sonderpädagogin an der Sigmund-Jähn-Grundschule, zur Gestaltung des Überganges von der Kita in die Grundschule. Hier ist ihr Bericht.

An der Sigmund-Jähn-Grundschule in Fürstenwalde (Land Brandenburg) besteht ein Konzept für einen gelingenden Übergang von der Kita in die Grundschule, das sich seit Jahren bewährt. Eine Grundlage dafür ist der „Gemeinsame Orientierungsrahmen für die Bildung in Kindertagesbetreuung und Grundschule – Zwei Bildungseinrichtungen in gemeinsamer Bildungsverantwortung beim Übergang vom Elementarbereich in den Primarbereich“ (kurz: GOrBiKs). Das Ziel des Lehrkräfteteams ist es, den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder besser gerecht zu werden, Lernschwierigkeiten zu verhindern, indem zeitig Bedarfe erkannt werden. Die Erfassung des Entwicklungsstandes der Kinder ist deshalb sehr wichtig. Dafür kooperiert die Schule mit Kitas im Umfeld, was eine Reihe von Vereinbarungen – angefangen bei Absprachen und gemeinsamen Fortbildungen bis hin zu gemeinsamen Elternabenden einschließt.

Abb. 1: Carmen Blätter im Kreis zukünftiger Erstklässler

Im Verlaufe des Vorschuljahres finden verschiedene Aktivitäten für die künftigen Schulkinder an der Schule statt. Die Kinder lernen ihre künftige Schule dadurch schon vor dem ersten Schultag kennen und die Lehrkräfte können einen diagnostischen Blick auf die Kompetenzen der Kinder in den Bereichen Wahrnehmung, Mathematik, Sprache, Fein- und Grobmotorik sowie soziale Interaktion richten.

Ein Lerntag zum gegenseitigen Kennenlernen

Ein Höhepunkt in der Vorschularbeit der Schule ist der Tag der Schulanmeldung, der etwa im Januar stattfindet. Über einen Vormittag hinweg sind die Kinder aus den umliegenden Kindertagesstätten in der Schule zu Gast. Passend zum Namensgeber Sigmund Jähn heißt die Veranstaltung „Auf der Suche nach den kleinen Sternen“. Verschiedene Übungen werden mit einer Rahmengeschichte verknüpft: „Fünf Sternenkinder sind beim Toben vom Himmel gefallen und direkt in der Schule gelandet. Wie finden wir sie wieder?“

An fünf Stationen im Schulgebäude werden spielerisch kleine Aufträge bearbeitet und mit jeder bewältigten Aufgabe ein kleiner Stern „wiedergefunden“. Die Kinder arbeiten an den Stationen in Gruppen, lernen dabei miteinander, erhalten einen Einblick in das schulische Arbeiten und werden dabei von Frau Blätter und weiteren Lehrkräften beobachtet. Wie gut geht schon das Schneiden und Kleben? Kennt das Kind die Farben und verschiedene Formen? Klappt das Reimen? Erkennt das Kind Anlaute? Wie gelingen im Bereich der Grobmotorik das Hüpfen oder Rückwärtslaufen?

Für die fachlichen Voraussetzungen zum Mathematiklernen wird geschaut, wie das Verständnis des Kindes zum Zahlbegriff entwickelt ist: Basale Fähigkeiten sind dabei das Zählen vorwärts und rückwärts bis 10 und 20, das schnelle Erfassen von Anzahlen bis 6, die Zuordnung einer Zahl zu einer Menge und auch das Vergleichen von Mengen. In Bereichen kognitiver Lernvoraussetzungen wird mit Bildern die Merkfähigkeit beobachtet und auch das Erkennen von Merkmalen an Figuren. Können gleiche Bilder erkannt und kleine Unterschiede gefunden werden? Können die Kindern Figuren nach ihrer Form oder dem Muster unterscheiden? Gelingt es ihnen beim Abzeichnen geometrischer Figuren wichtige Merkmale umzusetzen? Die Aufträge sind so gestaltet, dass alle Kinder stolz zeigen können, was sie schon können und dabei Stern für Stern einsammeln.

Abb. 2: Beim Lerntag geht es auch um Simultanerfassung – wie viele sind es? Die Kinder sehen solche Bilder nur kurz. Können sie die Anzahl der Bildelemente angeben?

Diagnostisches Beobachten und Feedback

Während die Kinder tätig sind, wird beobachtet und protokolliert, ob Entwicklungsverzögerungen und Förderbedarfe bestehen und ob ein Kind in seinen Vorläuferfähigkeiten schon besonders weit ist. Natürlich geht es nicht darum, dass ein Kind all diese Übungen perfekt können soll. Nach dieser intensiven Beobachtung der Kinder können jedoch hilfreiche Empfehlungen geben werden: In Absprache mit den Eltern und den Kitas werden vorschulische Fördermaßnahmen besprochen und vereinbart. Für einen erfolgreichen Schulstart können kleine Übungen schon eine große Wirkung haben! Alle Eltern erhalten im Februar eine Rückmeldung von uns. Und nicht zuletzt erhalten die künftigen Lehrkräfte der Kinder hilfreiche Informationen für ihre Planung. Kinder mit besonderen Bedürfnissen werden für eine differenzierte Förderdiagnostik vorgemerkt.

Im Frühling finden weitere Veranstaltungen statt, bei denen Studierende die Schule unterstützen und für ihre Ausbildung Erfahrungen sammeln. Schritt für Schritt fördert die Schule mit diesem Projekt die Kinder in ihren Lernvoraussetzungen und macht sie mit dem Schulalltag vertraut.

Unter diesem Link finden Sie einen Film zum Projekt: https://bildung.fuerstenwalde-spree.de/grundschulen/

Über die Autorin

Jana Köppen ist Fachbereichsleiterin Mathematik der Duden Institute für Lerntherapie.

Literatur: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (Hrsg.). (2009). Gemeinsamer Orientierungsrahmen für die Bildung in Kindertagesbetreuung und Grundschule. Zwei Bildungseinrichtungen in gemeinsamer Bildungsverantwortung beim Übergang vom Elementarbereich in den Primarbereich. Weimar Berlin: Verlag das netz.

Literaturtipp von Carmen Blätter für Lehrkräfte: Engel, A. (2008): Lernen erleichtern. Diagnose von Lernvoraussetzungen, Erstellung von individuellen Förderplänen, praktische Förderbeispiele. Karl Mildenberger Lehrmittelverlag. Offenburg.