Von Dr. Lorenz Huck
Lerntherapeuten und Lerntherapeutinnen wissen, dass viele Kinder große Schwierigkeiten im Rechnen und im Lesen und Schreiben haben. Im Umgang mit diesen Kindern und Jugendlichen gibt es bei den Duden Instituten für Lerntherapie bisher positive Erfahrungen mit folgenden Vorgehensweisen:
1. Sukzessive Therapien mit zusätzlicher Therapie in Ferienzeiten
Zu Beginn wird aufgrund der Stellungnahme der Fachdienste, der eigenen Diagnostik und einer Beratung mit Kind und Eltern entschieden, welcher Bereich zuerst im Mittelpunkt der Lerntherapie stehen soll. Die wöchentlich stattfindende Therapie wird dann auf diesen inhaltlichen Schwerpunkt ausgerichtet.
Im Regelfall wird dabei der Lernbereich gewählt, in dem das Kind die größeren Probleme hat bzw. durch den sich das Kind und die Familie subjektiv stärker belastet fühlt. Die Erfahrung zeigt, dass Lernerfolge in diesem Bereich zu einer psychischen und sozialen Entlastung des Kindes führen. Auch andere inhaltliche Argumente können angeführt werden: Beispielsweise könnte man mit der Mathematik beginnen wollen, um zu verhindern, dass der fachliche Anschluss an den Regelunterricht in unerreichbare Ferne rückt.
Der fachliche Schwerpunkt für eine Therapiewoche in den Ferien wird alternierend ausgerichtet: Steht z. B. in der wöchentlichen Therapie der Lernbereich Mathematik im Vordergrund, geht es in einer intensiveren Therapiewoche in längeren Ferienzeiten um das Lesen- und Schreibenlernen.
Sind die Schwierigkeiten im ersten Problembereich so weit behoben, dass das Kind entlastet ist, dem Unterricht in Teilen wieder folgen kann und im Alltag altersgemäß zurechtkommt, wird der Schwerpunkt der unterrichtsbegleitenden Therapie auf den anderen fachlichen Schwerpunkt verlegt. Die Therapieschwerpunkte für eine Phase in den Ferien wechseln, in unserem Beispiel kann sie sich nun dem Schwerpunkt Mathematik widmen: In der Ferienphase wird Grundlegendes, z. B. Zahlvorstellungen und Rechenstrategien, vertieft oder es werden weitere fachliche Schwerpunkte aus der Therapieplanung thematisiert.
Wählt man diese Organisationsform, ist es besonders wichtig, Verlauf und Erfolge der Therapie genauestens im Blick zu behalten, damit der Wechsel des Therapieschwerpunkts im geeigneten Moment stattfinden kann. Angesichts knapper zeitlicher Ressourcen muss dabei sicher auch zwischen notwendigen und wünschenswerten Erfolgen unterschieden werden. Kritisch zu hinterfragen wäre es z. B., wenn ein Kind nur deshalb in der Mathematik-Therapie bleibt, weil es aus Sicht der Eltern „immer noch Fehler beim Rechnen macht“.
Günstig ist es, wenn die Lerntherapeutin für beide fachliche Schwerpunkte qualifiziert ist, sodass sie den fachlichen Stand in beiden Fächern prozessdiagnostisch einzuschätzen vermag.
2. Parallele Therapien
Für andere Kinder kann organisiert werden, dass wöchentlich zwei Therapiestunden stattfinden, sodass die Schwerpunkte Rechenschwäche und Lese-Rechtschreib-Schwäche parallel bearbeitet werden können. Diese Organisationsform setzt voraus, dass ein großes Kontingent an Fachleistungsstunden vom Jugendamt freigegeben wird oder dass die Eltern dies zusätzlich finanzieren.
Unabhängig davon muss das Entwicklungsalter des Kindes bedacht werden: Damit parallele Therapien sinnvoll durchgeführt werden können, muss es in der Lage sein, viele unterschiedliche Schwerpunkte erfassen und differenzieren zu können.
Wichtig ist schließlich, dass das Kind durch die Quantität der Förderung nicht überfordert wird: Das ist bei einem relativ großen Teil der Therapiekinder zu befürchten, die durch den Ganztagsschulbetrieb und/oder ein umfangreiches Therapie- und Freizeitprogramm oft erheblich belastet sind.
Sind zwei fallführende Therapeuten im Einsatz, sind gute Absprachen hilfreich: Einige Probleme, z. B. in der Orientierung oder im Wortschatz, lassen sich dann fachübergreifend angehen.
3. Berücksichtigung von verschiedenen fachlichen Schwerpunkten in einer Therapiestunde
Schließlich tritt in der Praxis der Fall ein, dass weder Variante 1 noch 2 passend erscheinen, weil z. B. zwei Termine in der Woche für Familien nicht zu organisieren oder weil die nächsten längeren Ferienzeiten bereits verplant sind. Wenn bei einer solchen Konstellation ein großer Hilfebedarf sowohl beim Mathematiklernen als auch beim Erwerb des Lesens und Schreibens besteht, wird dann möglicherweise entschieden, Übungen aus beiden Therapiebereichen in einer Therapieeinheit zu kombinieren. Dies kann eine vorübergehende Lösung sein, bis eine Therapiephase organisiert werden kann, die sich auf einen fachlichen Schwerpunkt fokussiert.
Bei dieser Vorgehensweise gilt erst recht, dass die Therapeutin sorgsam beobachten muss, das Kind mit dem Wechsel fachlicher Inhalte nicht zu überfordern.
Fazit: Welcher Therapieplan verfolgt wird, ist in der Regel im Team von Lerntherapeutinnen und mit den Eltern zu beraten. Damit der besondere Bedarf von Kindern mit Schwierigkeiten im Rechnen und im Lesen und Schreiben im Alltag nicht aus dem Blick gerät, sollten Intervisionen und Elterngespräche zu diesem Thema regelmäßig wiederholt werden.
Über den Autor
Dr. Lorenz Huck ist Diplom-Psychologe und Geschäftsführer der Duden Institute für Lerntherapie.