Pädagogik und Psychologie

Lernschwierigkeiten in Mathematik und Deutsch?

Jana Köppen beantwortet häufig gestellte Fragen zu kombinierten Lernschwierigkeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik.

Wie häufig treten gravierende Lernschwierigkeiten in Mathematik auf?

Für die Beantwortung dieser Frage steht man vor verschiedenen Herausforderungen: Wie legt man fest, wann von gravierenden Schwierigkeiten gesprochen wird? In der Forschung wird versucht, mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten – Rechenschwäche, Rechenstörung – die Schwere der Lernrückstände zu fassen. Aus pädagogischer Sicht, im Sinne der Entwicklungsfähigkeit eines Kindes, spricht man bei Rechenschwäche von lang anhaltenden erheblichen Schwierigkeiten beim Erwerb mathematischer Grundlagen, die mit angemessenen Bemühungen im Umfeld des Kindes nicht zu überwinden sind. Dies einzuschätzen, setzt viel Erfahrung von Fachkräften voraus und geht mit einer subjektiven Bewertung einher.

Objektive Daten können mit standardisierten und normierten Tests erhoben werden, bei denen die Rechenleistungen eines Kindes mit den durchschnittlichen Leistungen der entsprechenden Altersgruppe verglichen wird. Hier geht man für die Rechenstörung von einer Häufigkeit von 3 bis 8 % aus. Diese unterschiedlichen Angaben dazu hängen neben der Auswahl des Tests davon ab, bei welchen Testergebnissen eine Zuschreibung der Diagnose Rechenschwäche erfolgt: Wird festgelegt, dass ein Kind größere Schwierigkeiten zeigen muss als 93 % vergleichbarer Kinder, oder liegt die Grenze bei 85 %? Solche Festlegungen machen unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten einen Unterschied, für den Bedarf an Unterstützung aber meist nicht. Ein standardisierter Rechen- oder Mathematiktest ist dabei nur ein Baustein in einer umfangreichen Diagnostik, wie sie in einschlägigen Leitlinien empfohlen wird.

Zeigen einige Kinder Lernschwierigkeiten in den Bereichen Deutsch und Mathematik?

Ja, ein Teil der Kinder zeigt neben gravierenden Lernschwierigkeiten in Mathematik ebenfalls Schwierigkeiten beim Lesen- und/oder Schreibenlernen. In den Untersuchungen zur Auftretenshäufigkeit von Rechenstörungen wurde festgestellt, dass ca. die Hälfte der Kinder mit Rechenschwierigkeiten auch Schwierigkeiten beim Lesen- und/oder Schreibenlernen haben. Zu Gründen für dieses Zusammentreffen mehrerer Lernschwierigkeiten wird intensiv geforscht.

Weshalb sind einige Kinder davon betroffen?

Man geht davon aus, dass bestimmte Vorläuferfähigkeiten und Lernvoraussetzungen für beide Lerngegenstände relevant sind. Probleme in diesen Bereichen können dann zu Schwierigkeiten sowohl im Fach Deutsch als auch im Fach Mathematik führen. Hier ist noch weitere Forschung notwendig. Manchmal wird das Lernvermögen eines Kindes grundsätzlich hinterfragt. Kombinierte Lernschwierigkeiten werden aber klar von einer geminderten Intelligenz abgegrenzt.

Auch besteht für die Wissenschaftsdisziplinen die Frage, weshalb andere Kinder wiederum sogenannte isolierte Schwierigkeiten haben und nicht von kombinierten Lernschwierigkeiten betroffen sind. Lernprozesse sind komplex und finden in einem sozialen Kontext mit diversen Einflussfaktoren statt. Ein gelingender Lernprozess oder entstehende Schwierigkeiten sind nicht allein auf die Lernvoraussetzungen eines Kindes zurückzuführen.

Wie können die Kinder unterstützt werden?

Betroffene Kinder und ihre Familien stehen meist vor noch größeren Herausforderungen, als es die Schwierigkeiten in nur einem Lernbereich mit sich bringen. Bei kombinierten Lernschwierigkeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik kann das Bild von der eigenen Leistungsfähigkeit eines Kindes sehr beeinträchtigt sein. Betroffene Kinder nehmen sich womöglich in einem weiteren Lernbereich als „unfähig“ wahr und erleben auch in diesem Bereich keine oder zu wenige Lernerfolge. Umso wichtiger ist es, Eltern und Lehrkräfte zu informieren, zu entlasten und darin zu bestärken, das Kind zu ermutigen und jeden Fortschritt zu würdigen.

Nachhaltige Hilfe gelingt in den meisten Fällen nur durch individuelle Förderung, anknüpfend an die Grundlagen des jeweiligen Lernbereichs. Lehrkräfte und Lerntherapeuten/-therapeutinnen brauchen dabei Vertrauen in das Lernvermögen von Menschen, fachliches Wissen und didaktisches Geschick, um Schwerpunkte der Hilfe passend auszuwählen.

Literatur

Aster, M. von, Schweiter, M. & Weinhold Zulauf, M. (2007). Rechenstörungen bei Kindern: Vorläufer, Prävalenz und psychische Symptome. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 39, 85–96.

Über die Autorin

Jana Köppen

Jana Köppen ist Leiterin des Fachbereichs Mathematik der Duden Institute für Lerntherapie.