Pädagogik und Psychologie

Kinder mit Lernstörungen sind psychosozial stark belastet

Kinder, die von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Rechenschwäche (RS) betroffen sind, leiden überdurchschnittlich an psychosozialen Beschwerden.

Zu Ergebnissen der PuLs-Studie der Duden Institute für Lerntherapie
Kinder, die von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Rechenschwäche (RS) betroffen sind, leiden überdurchschnittlich an psychosozialen Beschwerden. Zu diesem Ergebnis kommt die PuLs-Studie (Psychosoziale Belastungen und Lernschwierigkeiten) der Duden Institute für Lerntherapie. Ausgewertet wurden Daten zu über 200 Kindern und Jugendlichen.
Im Rahmen der Studie wurde der Zusammenhang zwischen psychosozialen Belastungen und Lernschwierigkeiten untersucht. Die Untersuchung zeigt u.a., dass fast 70 % der untersuchten Probanden mindestens unter einer Form psychosozialer Belastung litten.
Etwa ein Fünftel der untersuchten Kinder und Jugendlichen (20,9 Prozent) leidet an körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, für die es keinen erklärenden organischen Befund gibt. Diese Zahl liegt deutlich höher als in Untersuchungen, die sich auf die Gesamtheit der Kinder und Jugendlichen beziehen (z. B. in der Bremer Jugendstudie).
Aber auch die Zahlen hinsichtlich anderer psychosozialer Belastungen sind alarmierend: Ein Drittel (33 Prozent) der Kinder und Jugendlichen zeigt „internalisierendes Problemverhalten“ (Ängste, Depression, sozialer Rückzug). Jedes vierte Kind leidet unter Mobbing (26,4 Prozent). Ähnlich groß ist die Gruppe der Kinder mit ADHS-Symptomen bzw. mit Konzentrationsschwierigkeiten, motorischer Unruhe oder impulsivem Verhalten (25,4 Prozent). Bei vielen der untersuchten Schülerinnen und Schüler treten zudem mehrere Probleme parallel auf, was ihre Beschwerden deutlich erhöht. Mehr als zwei Drittel (69,7 Prozent) leiden mindestens unter einer Form psychosozialer Belastung, ein Viertel (23,9 Prozent) unter zwei und jedes siebte Kind (15,8 Prozent) sogar unter drei oder mehr Formen.
Dr. Lorenz Huck, Psychologe, Lerntherapeut und Co-Autor der Studie, sieht dies als wichtige Erkenntnis für Pädagogen, aber auch für Ärzte und Psychologen: „Beim Auf-treten einer somatoformen Störung oder bei sich häufenden psychosozialen Problemen sollten Experten immer einen Zusammenhang zu möglichen Lernschwierigkeiten in Betracht ziehen, denn diese können ursächlich für die psychosozialen Beschwerden sein. Wird eine LRS und RS erkannt und wird die notwendige Hilfe gegeben, gehen erfahrungsgemäß auch die Probleme, die mit den Lernschwierigkeiten zusammenhängen, zurück.“
Fast jeder zweite Jugendliche mit Lernstörung wird gemobbt
Sorgen machen den Forschern auch die ansteigenden Beschwerden bei zunehmendem Alter: Während „nur“ 21,3 Prozent der Kinder der Klassen 1–5 unter Mobbing leiden, sind es in der Gruppe der Jugendlichen (Klassen 6–12) bereits 43,5 Prozent. Beim „internalisierendem Problemverhalten“ gibt es eine Zunahme von 33 auf 48 Prozent. „Lese-Rechtschreib-Schwäche und Rechenschwäche müssen deshalb möglichst früh erkannt und eine Lerntherapie dann schnell angeboten werden, um optimal helfen zu können“, so Huck.
Mädchen und Jungen mit verschiedenen Symptomen
Ferner fanden die Forscher heraus, dass Mädchen deutlich häufiger unter Internalisierung (42,6 vs. 24 Prozent) und körperlichen Beschwerden leiden als Jungen. Die Jungen hingegen sind stärker von Konzentrationsproblemen (33 vs. 17,8 Prozent) und Mobbing betroffen.
Unterschätzte Rechenschwäche
Außerdem wurde deutlich, dass die untersuchten Kinder mit einer RS häufiger von körperlichen und internalisierenden Symptomen betroffen sind als Kinder mit einer LRS (körperliche Symptome: 27,1 vs. 13,2 Prozent; internalisierende Symptome: 45,9 vs. 21,7 Prozent). Huck fordert daher die Gleichstellung der RS mit der LRS: „Kinder mit einer Rechenschwäche müssen schulrechtlich endlich gleichgestellt werden. Sie sollten durch Maßnahmen wie Nachteilsausgleich und Notenschutz genauso entlastet werden wie Kinder mit einer LRS.“
Die vollständige Studie mit weiteren Ergebnissen finden Sie hier.
Infografiken zu den Zahlen der Studie finden Sie hier.

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