von Ramona Nathalie Bauer und Marleen Dudjahn
Um erfolgreich am Fremdsprachenunterricht teilzunehmen, ist ein gut aufgebauter aktiver und passiver Wortschatz eine notwendige Voraussetzung. Diesen erreicht man nur durch das Lernen von Vokabeln – eine für Schülerinnen und Schüler meist ungeliebte Aufgabe. Kindern und Jugendlichen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche fällt es häufig besonders schwer, die gelernten Wörter langfristig einzuprägen. Uns hat interessiert, wie diese Schülerinnen und Schüler ihre Vokabeln lernen, welche Methoden sie nutzen und ob sie diese als hilfreich empfinden. Wir haben daher im Rahmen einer internen Umfrage an unserem Institut 50 Lernende mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche ab der 5. Klasse dazu befragt.
Wie häufig werden Vokabeln gelernt?
33 % der Schülerinnen und Schüler gaben an, dass sie ihre Vokabeln regelmäßig lernen, 65 % erledigen dies nur „manchmal“. Dass Vokabeln gar nicht gelernt werden, äußerten nur 2 % der Befragten. Hierbei zeigte sich eine recht eindeutige Korrelation zwischen der Häufigkeit des Lernens der Vokabeln und der Abfrage mithilfe von Vokabeltests in der Schule. Fast alle Kinder und Jugendlichen, die angaben, dass sie die Vokabeln regelmäßig lernen, schreiben auch regelmäßig Vokabeltests in der Schule. Diejenigen, die nur „manchmal“ lernen, werden auch nicht regelmäßig von ihren Lehrerinnen und Lehrern abgeprüft.
Welche Methoden werden genutzt?
Für Lernende mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche ist multisensorisches Lernen besonders förderlich (Schneider & Crombie 2003, 48‒49; Gerlach 2017, 301). Der Begriff „multisensorisch“ meint dabei, dass die Behaltensleistung meist dann besonders gut ist, wenn mehrere sensorische Kanäle (z. B. auditiv, visuell, taktil, kinästhetisch) für das Lernen genutzt werden. Gerlach (2017, 301) rät beispielsweise dazu, mindestens zwei verschiedene Sinne ‒ leises Lesen, lautes Lesen, Aufschreiben des Wortes ‒ in direkter Abfolge für das Vokabellernen zu nutzen.
Daher interessierte uns ganz besonders die Frage, mit welchen Methoden die Vokabeln gelernt werden. Positiv hervorzuheben ist, dass fast alle Lernenden (90 %) mehrere Methoden nutzen, um sich die Vokabeln zu merken. Das Führen eines Vokabelhefts landete dabei auf dem letzten Platz. In ungefähr gleicher Verteilung wurden ein Karteikastensystem, das Vokabelverzeichnis im Lehrbuch sowie das Verwenden einer App zum Lernen angegeben. Die überwiegende Anzahl (fast 70 %) gab an, darauf zu achten, die Wörter auch aufzuschreiben und laut auszusprechen. Die Lernenden, die ihre Methode als nicht oder nur teilweise erfolgreich einstuften, waren vor allem diejenigen, die nur eine Methode (das Lehrbuch oder eine App) nutzten und außerdem die Wörter weder händisch aufschrieben noch aussprachen.
Wie kann das Lernen verbessert werden?
Wir haben den Schülerinnen und Schülern die Frage gestellt, was sich ändern müsste, damit sie die Vokabeln besser im Gedächtnis behalten. Hier haben viele Befragte sehr reflektiert und selbstkritisch geantwortet, wobei sich drei wesentliche Aspekte herauskristallisierten:
Viele Kinder und Jugendliche äußerten, dass sie häufiger und regelmäßiger lernen sollten (z. B.: „Ich müsste so oft lernen, bis ich es kann“). Einer regelmäßigen Abfrage durch Vokabeltests in der Schule ist hier wahrscheinlich eine wesentliche Bedeutung beizumessen, wie unsere Umfrage gezeigt hat. Allerdings wird die Motivation zum Lernen dadurch eher von äußeren Einflüssen geprägt. Ein weiterer häufig genannter Punkt war, dass sie die Wörter beim Lernen auch aufschreiben und/oder lesen müssten, um sie sich besser merken zu können.
Ebenfalls wurde von den Schülerinnen und Schülern die Anzahl der zu lernenden Vokabeln mehrfach als zu hoch eingestuft. Dieser Aspekt ist teilweise auch damit zu erklären, dass leserechtschreibschwache Kinder und Jugendliche Lerninhalte häufiger wiederholen müssen, woraus sich wiederum ein größerer Zeitaufwand ergibt. Das im Unterricht geforderte Pensum an Vokabeln kann somit unter Umständen eine Überforderung darstellen.
Unsere Umfrage hat gezeigt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche das Vokabellernen als herausfordernd oder gar belastend erleben. Insbesondere regelmäßiges Lernen und methodische Vielfalt sorgen bereits bei einer Vielzahl der befragten Kinder und Jugendlichen für zufriedenstellende Ergebnisse. Diejenigen, die (noch) eher unzufrieden sind, gaben häufig selbstkritisch an, dass sie sowohl bei den Lernmethoden als auch bei der Lernfrequenz noch Luft nach oben hätten – was wiederum nahelegt, dass sie sich im Bereich des Wortschatzerwerbs nicht nur als handlungsfähig erleben, sondern auch bereits wissen, welche zusätzlichen Strategien es zukünftig auszuprobieren gilt.
Literatur:
Gerlach, David (2017). Reading and spelling difficulties in the ELT classroom. ELT Journal, 71(3), 295304.
Schneider, Elke & Crombie, Margret (2003). Dyslexia and Foreign Language Learning. London: David Fulton Publisher.
Über die Autorinnen:
Marleen Dudjahn (Foto links) ist Leiterin des Fachbereichs Englisch der Duden Institute für Lerntherapie und Institutsleiterin am Standort Berlin-Treptow.
Ramona Nathalie Bauer (Foto rechts) ist Wissenschaftlich-therapeutische Mitarbeiterin im Duden Institut für Lerntherapie Berlin-Treptow.