LRS in Englisch

Spielerisches digitales Vokabellernen mit Serious Games

Lisa Vogel von der Universität Kassel berichtet über Forschungsergebnisse.

von Lisa Vogel

Im Zuge der Globalisierung und der wachsenden Bedeutung internationaler Kommunikation gewinnt das Erlernen von Fremdsprachen immer mehr an Bedeutung. Dabei ist die zentrale Rolle des Wortschatzerwerbs für das Sprachenlernen unbestritten. Zusätzlich zur traditionellen Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht eröffnet die Digitalisierung neue Horizonte im Bereich des Sprachenlernens. Dabei stellt sich die Frage, welches Potenzial digitale Medien und Technologien u. a. für die Motivation von Fremdsprachenlernenden bieten, z. B. beim Wortschatzerwerb.

Digitale Tools und Sprachlern-Apps (wie Quizlet, kahoot!, Duolingo) ermöglichen interaktives und spielerisches Lernen. Viele solcher Anwendungen verfolgen dabei den Gamification-Ansatz, welcher „Spielerlebnisse nutzt, um in nicht-spielerischen Bereichen eine bestimmte Anziehung, eine Motivation oder ein Interesse hervorzurufen“ (Wolpers 2022, 15). Dabei werden Spielelemente wie Punktesysteme, Ranglisten oder Auszeichnungen verwendet, um die Schülerinnen und Schüler für das (Fremdsprachen-)Lernen zu motivieren und sie dazu anzuregen, sich länger und ggf. intensiver mit den zu lernenden Inhalten auseinanderzusetzen.

In diesem Beitrag liegt der Schwerpunkt auf bestimmten digitalen Lernspielen, sogenannten Serious Games. Darunter versteht man „Computerspiele, bei denen der Unterhaltungsaspekt nicht im Fokus steht. Mithilfe dieser Spiele werden neue Verhaltensweisen antrainiert oder Wissen vermittelt. In Kombination mit Spielspaß und/oder Wettbewerb entfaltet sich die Effektivität von Serious Games“ (Breiner & Kolibius 2019, 152). Für den Fremdsprachenunterricht können solche Spiele u. a. im Bereich des Vokabellernens genutzt werden.

Zur bisherigen Forschung

Die bisherigen Forschungsergebnisse deuten auf ein motivierendes und leistungsförderliches Potenzial von Serious Games beim Fremdsprachenlernen hin: In der Meta-Analyse von Fan Su et al. (2021, 7–11) stellen die meisten untersuchten Studien positive Effekte der Spiele auf den Lernerfolg (insb. hinsichtlich des Vokabellernens) sowie auf die Motivation fest. Auch Di Zou et al. (2021, 751) konstatieren in ihrer Meta-Analyse zum Wortschatzlernen mit digitalen Spielen i. Allg. einen positiven Effekt der Serious Games im Vergleich zu traditionellen Lernmethoden hinsichtlich der Behaltensleistung der Vokabeln.

Erprobung des Computerspiels Bullets & Brains mit wissenschaftlicher Begleitung

Ein konkretes Beispiel für ein Serious Game, welches zum Vokabellernen im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden kann, ist das Computerspiel Bullets & Brains (Steam, USK 12). Dort müssen die Lernenden Karteikartenabfragen meistern, um Basen zu erobern und sogenannte SmartPoints zu erhalten. Sowohl die Eroberung der Basen als auch das Sammeln der SmartPoints sind für den Spielfortschritt unerlässlich, sodass das Vokabellernen direkt in den Spielverlauf integriert ist. Daher könnte dieses Spiel dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler für das Vokabellernen zu motivieren.

Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde das Spiel Brains nʼ Bullets an drei staatlichen Gesamtschulen in Hessen sowie an einem staatlichen Gymnasium in Berlin im Französisch- und Spanischunterricht (Sekundarstufe I und II) innerhalb einer Doppelstunde (90 min) erprobt (Vogel, in Vorbereitung). Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die teilnehmenden Lernenden (insgesamt 382 Schülerinnen und Schüler) u. a. zu ihrem Interesse am Vokabellernen mittels eines Online-Fragebogens befragt. Dabei lag ein Fokus auf dem Vergleich zwischen dem Interesse am Vokabellernen mit ihrer gewohnten Methode (z. B. Vokabelheft, Vokabelliste im Schulbuch, Karteikarten, Sich-abfragen-Lassen oder Vokabel-Apps) mit dem Vokabellernen durch das getestete Computerspiel.

Zu den Ergebnissen dieser Untersuchung

Die Ergebnisse zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler im Allgemeinen eher wenig Interesse am Vokabellernen mit ihrer üblichen Lernmethode haben: Den Aussagen, dass sie normalerweise gerne Vokabeln lernen oder dass ihnen das Vokabellernen Spaß macht, stimmen sie im Mittel eher nicht zu (Mittelwert = –0,75). Die Skala reichte von –2 („stimme gar nicht zu“) bis +2 („stimme voll zu“). Wenn sie mit dem Computerspiel lernen, zeigt sich hingegen eine positive Tendenz hinsichtlich ihres Interesses am Vokabellernen: So stimmen sie den gleichen Aussagen, dass sie gerne Vokabeln lernen oder dass ihnen das Vokabellernen Spaß macht (jedoch bezogen auf das Lernen mit dem Computerspiel), eher zu (Mittelwert = 0,47). Es handelt sich dabei um einen statistisch signifikanten Unterschied (p < 0,001) mit einer großen praktischen Bedeutung (Cohenʼs d = 0,87), d. h., das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Vokabellernen ist tatsächlich höher, wenn sie mit dem Spiel lernen.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den bisherigen Forschungsergebnissen zum Einsatz von Serious Games beim Fremdsprachenlernen und unterstreicht somit deren motivationsförderliches Potenzial insbesondere beim Vokabellernen. Um die Wirksamkeit des Spiels auch im Hinblick auf den Lernerfolg beurteilen zu können, sind weiterführende, langfristige Untersuchungen geplant.

Bibliografie:

Breiner, Tobias C. & Kolibius, Luca D. (2019). Computerspiele. Berlin, Heidelberg: Springer.

Su, Fan et al. (2021). A Comparative Review of Mobile and Non-Mobile Games for Language Learning, in: Sage Open 11/4, 1–20.

Wolpers, Eric (2022). Gamification und Storytelling im aufgabenorientierten Spanischunterricht zur Förderung spielerisch-narrativer Lernzugänge. Eine qualitativ-empirische Design-Based Research Studie. Universität Bremen.

Zou, Di et al. (2021). Digital game-based vocabulary learning: where are we and where are we going?, in: Computer Assisted Language Learning 34/5–6, 751–777.

Über die Autorin:

Lisa Vogel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet „Fremdsprachenlehr- und -lernforschung: Didaktik des Französischen und Spanischen“ an der Universität Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht (z.B. Virtual Reality, 360°-Lernumgebungen und Serious Games) und Mehrsprachigkeitsdidaktik.