Frau Reiter, Sie unterrichten Englisch an einer Grundschule in Brandenburg. Viele Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche in Deutsch zeigen auch Auffälligkeiten im Erlernen des Englischen. Wodurch fallen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht auf?
Elisa Reiter: In der Tat kann ich sehr oft feststellen, dass Kinder, die in Deutsch auffällig sind, auch Probleme im Fach Englisch haben. Häufig lassen sich bei diesen Schülerinnen und Schülern eine oder mehrere Beobachtungen anstellen: ein schwer zu lesendes Schriftbild, viele Rechtschreibfehler und somit auch schlechte Noten in den Vokabel- und Grammatiktests. Es fällt auch auf, dass grammatische Inhalte nicht so schnell verstanden werden und viele Wiederholungen nötig sind. Die Folge ist meist ein schlechtes Selbstbewusstsein aufgrund der vielen Misserfolge und im Zuge dessen auch eine mangelnde Mitarbeit, da die Kinder Angst haben, etwas falsch zu machen.
Können Sie sagen, ab wann sich die Schwierigkeiten verstärkt bemerkbar machen?
In Klasse 3 und 4 liegt der Fokus eher im mündlichen Bereich und es muss noch wenig geschrieben werden. Die Rechtschreibleistungen werden auch noch nicht benotet. Ab Klasse 5 steigen die Anforderungen dann deutlich. Hier müssen neben dem wöchentlichen Vokabelpensum auch viele grammatische Inhalte gleichzeitig erfasst und gelernt werden. Damit sind dann viele Schülerinnen und Schüler überfordert und Auffälligkeiten, die bereits in der 4. Klasse zu beobachten waren, verstärken sich deutlich.
Sie haben schon detailliert beschrieben, wie sich die Schwierigkeiten beim Erlernen des Englischen bemerkbar machen. Nutzen Sie auch Lernstandserhebungen, um den jeweiligen Entwicklungsstand genauer zu erfassen?
Wir führen Lernstandserhebungen durch, mit denen wir mündliche und schriftliche Leistungen im Englischen überprüfen. Die jeweiligen Schwerpunkte der Probleme lassen sich aber bereits sehr gut aus der Analyse der Leistungskontrollen und der Mitarbeit im Unterricht ableiten.
Wie können die Schülerinnen und Schüler im Unterricht unterstützt werden?
Die Schüler und Schülerinnen mit einer diagnostizierten Lese-Rechtschreib-Schwäche erhalten einen Nachteilsausgleich. Welche Maßnahmen für das jeweilige Kind dieser genau beinhaltet, stimmt die Klassenkonferenz ab. Geeignete Hilfen können neben der zusätzlichen Zeit beispielsweise sein, dass bestimmte schriftsprachliche Leistungen durch mündliche ersetzt werden dürfen, Aufgabenstellungen vorgelesen oder Tafelbilder als Kopie zur Verfügung gestellt werden.
Neben diesen Maßnahmen versuche ich aber auch bestimmte Methoden in den Unterricht zu integrieren, die nicht nur den lese- und rechtschreibschwachen Schülerinnen und Schülern helfen, sondern von denen alle profitieren.
Welche Methoden haben sich hier als besonders hilfreich erwiesen?
Ich versuche insbesondere beim Erarbeiten von grammatischen Inhalten das entdeckende Lernen zu fördern. Das heißt, es muss erst mal von den Kindern erkannt und beschrieben werden, worin das Problem besteht. Ich stelle dann Beispiele zur Verfügung, anhand derer die Lösung selbst entdeckt werden kann. Wir nutzen diese Situationen im Unterricht auch, um sehr viel über die Inhalte zu sprechen und die Schülerinnen und Schüler zum Reflektieren anzuregen. Dies geschieht häufig darüber, dass ich die Ergebnisse der Kinder hinterfrage: „Warum ist das die Lösung?“ Sie müssen sich also den Lösungsweg immer wieder bewusst machen und herleiten. Nur so lässt sich nachvollziehen, ob die Inhalte wirklich verstanden wurden.
Können Sie vielleicht ein Beispiel hierfür nennen?
Vor Kurzem hatte ich im Englischunterricht meiner 5. Klasse das Thema: die Verwendung der Artikel „a/an“. Als Ausgangssituation wollten wir Gegenstände aufzählen. Dabei fiel den Kindern auf, dass sie nicht wissen, wann man „a“ und wann „an“ benutzt. Daraufhin habe ich ihnen mehrere Beispiele vorgegeben, aus denen sie herleiten sollten, dass der Artikel „an“ benutzt wird, wenn das darauffolgende Wort am Anfang mit einem Selbstlaut (a, e, i, o, u) gesprochen wird. Das Entdeckte konnten wir dann in unserer kommunikativen Ausgangsübung anwenden. Außerdem haben wir das Gelernte dann mit Fliegenklatschen in einem Spiel geübt, um Bewegung und Spaß zu fördern. Generell sehe ich Lernspiele, die Inhalte gezielt aufgreifen, als einen wesentlichen Motivator an. Die Lehrwerke sind überlastet mit Grammatik und Vokabeln, sodass der Spaß schnell sinken kann. Mit den Spielen erhöhen sich Freude und Einstellung zum Fach sehr.
Haben Sie noch mit anderen Methoden gute Erfahrungen gemacht?
Wichtig ist natürlich auch, dass die Kinder effektive Strategien zum Lernen der Vokabeln haben. Wenn hier schon in den ersten Lernjahren ein Wortschatzdefizit entsteht, lässt sich das später nur schwer wieder aufholen. Ich nutze oft die Methodenwoche, um mit den Schülerinnen und Schülern gute Strategien zum Lernen der Vokabeln zu erarbeiten. Wichtig finde ich hierbei, dass die Lernenden viel Schreiben und sich die schwierigen Stellen im Wort markieren, damit der Fokus sich genau darauf lenkt.
Nicht zuletzt ist mir auch die Elternarbeit sehr wichtig. Insbesondere die schwächeren Schülerinnen und Schüler benötigen mehr Zeit und mehr Wiederholungen, damit die Inhalte gefestigt werden. Das betrifft nicht nur das Vokabellernen, sondern auch die Anwendung der Grammatik. Im Schulalltag bleibt hierfür nicht immer ausreichend Zeit. Daher versuche ich in Gesprächen mit den Eltern, diese mit den Übungsmethoden vertraut zu machen, damit die Festigung der Inhalte auch zu Hause erfolgen kann.
Mir ist sehr wichtig, dass die Grundlagen des Englischen wirklich gefestigt sind. Im Fremdsprachenunterricht baut alles aufeinander auf. Wenn die Basis nicht gesichert ist, kommt es schnell zu Misserfolgen und Frustrationen. Im Gegensatz dazu zeigen Schülerinnen und Schüler, die Erfolge im Erlernen der Fremdsprache haben, Freude daran, wie sie Englisch immer besser verstehen und sprechen können. Dies gelingt aber nur, wenn sie auf einem stabilen Fundament aufbauen können. Darum liegt es mir besonders am Herzen, hier alle Schülerinnen und Schüler mitzunehmen und ihnen diesen Erfolg zu ermöglichen.
Frau Reiter, wir danken Ihnen für die Einblicke in Ihre Arbeit und das Gespräch.
Elisa Reiter ist Englischlehrerin an einer Grundschule in Brandenburg und auch als Lerntherapeutin tätig.