LRS in Englisch

Ausdauer, die sich auszahlt ‒ Lesestrategietraining mit englischen Texten

Um eine Fremdsprache wie Englisch zu gebrauchen, ist es bedeutsam, diese auch gut lesen zu können.

von Ramona Nathalie Bauer

Die Lesefähigkeit unterstützt die gesellschaftliche Teilhabe ganz unmittelbar. Lernende sollten beispielsweise in der Lage sein, im Urlaub das Lieblingseis auf der Speisekarte zu entdecken oder auf der Homepage einer britischen Tageszeitung zu einem Thema ihrer Wahl zu recherchieren.

Lesen als Sportart

Der Lesevorgang an sich ist in seiner Komplexität allerdings nicht zu unterschätzen: So gilt es das „Meer an Buchstaben“ einerseits auf Wortebene, Satzebene und Textebene zu erlesen, andererseits auf Basis von Weltwissen und anderen Erfahrungswerten zu ergänzen oder gar zu interpretieren. Gerlach und Lüke (2020, S. 160) vergleichen daher nicht ohne Grund das Lesen mit einer Sportart, die eines ebenso ausdauernden wie effektiven Trainings bedarf: „Wie eine Sportart muss die fremdsprachliche Lesekompetenz mit […] Training aufgebaut werden, um die kognitiven Anstrengungen als Leser/-in leisten zu können.“

Wie sollte ein solches Lesetraining gestaltet werden?

Bei der Förderung von Lernenden mit besonderen Schwierigkeiten beim Fremdsprachenerwerb hat sich neben der Förderung der Lesegenauigkeit und Leseflüssigkeit insbesondere der Einsatz von Lesestrategien bewährt. Dabei werden Texte idealerweise in drei Schritten erarbeitet (Haß & Kieweg, 2012; Gerlach, 2015):

  • vor dem Lesen: erste Auseinandersetzung mit dem Thema zur Vorwissensaktivierung, Leseziele und/oder Erwartungen an den Text formulieren, Wortschatzvorentlastung
  • während des Lesens: lesende Erarbeitung des Textes, z. B. Markieren von Signalwörtern sowie Nachschlagen unbekannter Wörter, aber auch Bearbeitung von Aufgaben zum Text
  • nach dem Lesen: Reflexion des Textinhalts, z. B. in Form eines Austauschs oder einer Stellungnahme, idealerweise auch Reflexion des Lesevorgangs

Außerdem kann die Erarbeitung von Texten in der Fremdsprache um die folgenden Strategien ergänzt werden (Gerlach, 2015):

  • Mind-Maps: Insbesondere für leseschwache Lernende ist die Visualisierung zentraler Inhalte eines Textes in Form einer Mind-Map oftmals effektiver als deren bloße Auflistung. Je nach Text und/oder Leseziel kann eine Mind-Map auch variabel gestaltet werden, so beispielsweise auf Basis von W-Fragen bei Erzählliteratur.
  • Skimming and Scanning: Der Text wird zuerst überflogen (Skimming) mit dem Ziel, einen ersten Überblick zu erlangen. Bei schwächeren Schülern und Schülerinnen sollte dabei allerdings ein Fokus vereinbart werden: erst einmal nur den ersten Satz sowie Überschriften und Zwischenüberschriften lesen. Nach einem Austausch, idealerweise in Tandems, wird der Text nun genau gelesen (Scanning) und es werden dabei z. B. Fragen beantwortet oder Informationen herausgearbeitet.

Experimentieren und Automatisieren

Bei der Erarbeitung und Automatisierung des Einsatzes von Lesestrategien ist auch die Reflexion über die Effektivität der angewendeten Strategien als Teil des Trainings zu betrachten. Dies kann z. B. folgende Fragen enthalten:

  • Welche Lesestrategie sollte ich wann anwenden?
  • Mit welchen Lesestrategien arbeite ich besonders effektiv, welche entlasten mich kaum?

So erscheint es naheliegend, zuerst ein Experimentieren mit vielfältigen Strategien anzuregen und langfristig die strukturierte Anwendung besonders effektiver Strategien zu fördern. Mit etwas Ausdauer wird das Eintauchen in das Buchstabenmeer so auch für Lernende mit besonderen Schwierigkeiten beim Fremdsprachenerwerb zu einer Herausforderung, die sie mehr und mehr als bewältigbar erleben.

Literatur

Gerlach, D. (2015). Fremdsprachenvermittlung im inklusiven Klassenraum bei LRS. In M. Michalak & R. Rybarczyk (Hrsg.), Wenn Schüler mit besonderen Bedürfnissen Fremdsprachen lernen (140–167). Weinheim: Beltz.

Gerlach, D. & Lüke, M. (2020). Förderung von Lesekompetenz im Englischunterricht: Ergebnisse einer Interventionsstudie. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 31(2), S. 159–182.

Haß, F. & Kieweg, W. (2012). I can make it! Englischunterricht für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten (1. Auflage). Seelze: Klett/Kallmeyer.

Über die Autorin

Ramona Nathalie Bauer arbeitet als wissenschaftlich-therapeutische Mitarbeiterin des Fachbereichs Deutsch im Duden Institut für Lerntherapie Berlin-Treptow.