LRS in Englisch

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Erfahrungen aus dem Englischunterricht mit Schülerinnen und Schülern mit LRS

von Christel Simon, Grundschullehrerin und Fachberaterin Englisch (Primar)
Haben Sie beim Lesen der Überschrift auch gestutzt oder mehrmals angesetzt?
So oder ähnlich ergeht es Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb, wenn sie versuchen, fremdsprachige Texte zu erlesen. Dann wird LRS zum wirklichen Problem - besonders wenn im vorangegangenen Unterricht nicht problemadäquat gefördert wurde.
Englisch als „Begegnungssprache“
Beginnen wir im Unterricht der 1. und 2. Klasse, wenn die Lernenden der Fremdsprache „begegnen“ – also lernen, die Fremdsprache von ihrer Muttersprache zu unterscheiden, einfache Äußerungen zu verstehen und nonverbal zu reagieren, gelernte Wörter und Redemittel verständlich mit- und nachzusprechen sowie in vertrauen Situationen anzuwenden.
Erfolgreiches Lernen einer Sprache im Allgemeinen setzt die Einheit von Wortklang, Wortbedeutung und Wortbild voraus. Somit muss die Arbeit am phonematischen Gehör der Lernenden und damit der Einsatz vielfältiger phonetischer Übungen kontinuierlich durch die Lehrkraft erfolgen. Deutliches Vorsprechen, erklären, wie die Zunge sich bewegen muss, gemeinsames Sprechen in verschiedenen Stimmlagen und Lautstärken sind für die Ausspracheschulung von Beginn an unerlässlich. Lieder, Chants, Reime und Spiele sowie kurze Dialoge oder Rollenspiele beim Nacherzählen von Geschichten und Märchen eignen sich in diesen Klassenstufen dazu besonders, weil sich mehrmals wiederholende Wörter und Redemittel als „Muster“ einschleifen können, auf die zurückgegriffen werden kann. Dieser intensive Vorlauf der Mündlichkeit ist für den Einsatz der Schriftsprache unerlässlich. Viele Schülerinnen und Schüler mit einer LRS zeigen bereits auf dieser Ebene Auffälligkeiten, daher ist die Arbeit in diesem Bereich für sie umso wichtiger.
Einbezug der Schriftsprache
Schon vor dem verstärkten Einsatz der Schriftsprache (spätestens Ende der 2. Klasse) begegnen Schülerinnen und Schüler täglich geschriebenen englischen Wörtern im Alltag: die Namen von Mitschülern, auf Werbeplakaten, bei Beschriftungen von Spielzeug usw., die sie meistens auch „lesen“ können. Im Unterricht ist es ratsam, mit einfachen Wörtern zu beginnen, bei denen die Laut-Buchstaben-Zuordnung nahezu eindeutig erfolgt (z. B. „dog“), und die Laute zu vermeiden, die in unserer Muttersprache nicht vorkommen (z. B. „th“).
Da sich die Orthografie des Englischen stark von der des Deutschen unterscheidet, ist nicht analytisch-synthetisch wie im deutschsprachigen Leselernprozess vorzugehen, sondern es sollten Strategien zum ganzheitlichen Erfassen und Einprägen der Wortbilder entwickelt werden. Die Schülerinnen und Schüler „fotografieren“ das Wort mit einer imaginären Kamera, sprechen es dabei, schließen ihre Augen, stellen sich das „Foto“ vor und vergleichen dann ihre Vorstellung mit dem tatsächlichen Wortbild. Die Zuordnung zu bildhaften Darstellungen oder Realien sowie deren Gebrauch im Kontext vervollständigen diese Stufe im Leselernprozess. Insbesondere bei Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb ist das ganzheitliche Einprägen von Wörtern oft unzureichend ausgebildet und das Bewusstmachen dieser Technik besonders wichtig.
Regelmäßigkeiten auch in der englischen Schriftsprache
Trotz der starken Unregelmäßigkeiten in der englischen Schriftsprache gibt es in jeder Klasse Schülerinnen und Schüler, die bei Ausweitung des Lesens selbstständig Regelmäßigkeiten in der Laut-Buchstaben-Zuordnung feststellen und sich dazu äußern. Dies sollte unbedingt als wesentliche Lernhilfe hervorgehoben und allen Schülern deutlich gemacht werden (z. B. das stumme e in Wörtern wie „game“, „time“). Denn Schülerinnen und Schüler mit einer LRS in Englisch entdecken diese Regelmäßigkeiten von sich aus meist nicht. Nur Wortbilder, die simultan erfasst und richtig ausgesprochen werden können, eignen sich für das erste Schreiben. Dazu bietet sich zuerst das Nachspuren (trace) an. Dabei ist dem buchstabenweisen Abschreiben von der Vorlage unbedingt entgegenzuwirken. In dieser Lernphase ist m. E. der Bleistift das Mittel der Wahl. Fehler können immer wieder wegradiert werden, bis am Ende „schöne“ Wörter dastehen und die Schülerinnen und Schüler das Gefühl haben, auch Englisch schreiben zu können.
Erfahrungen aus dem Englischunterricht mit Schülerinnen und Schülern mit LRS - 2
Je gründlicher der Anfang im Lesen und Schreiben gestaltet wird, umso eher führt er in den nächsten Schuljahren zu automatisierten Lernhandlungen, von denen nicht nur Kinder mit LRS profitieren können. Ein guter Anfangsunterricht führt nicht selbstverständlich zur „Überwindung“ der LRS. Er trägt aber mit Sicherheit zu einem freudvollen Sprachenlernen bei und bildet eine gute Grundlage für den wesentlich umfangreicheren Englischunterricht ab Klasse 5.
Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler mit LRS
Für Kinder die weiterhin Schwierigkeiten im Erlernen der Fremdsprache haben, sollte für Chancengleichheit gesorgt werden. Dies bedeutet nicht Gleichbehandlung – es ist nicht sinnvoll, dass alle alles gleich machen. Für Übungsphasen bieten sich u. a. niveaudifferenzierte Aufgabensammlungen an, die den Kindern mit LRS ermöglichen, sich mit weniger Sprachmaterial intensiver zu befassen.
Keineswegs sollte auf das selbstständige Lesen und Schreiben verzichtet werden, denn Lesen und Schreiben lernt man nur beim Lesen und Schreiben. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Aufgaben für die selbstständige Arbeit in ihrer Gestaltung und den Anforderungen möglichst selbsterklärend sind und eine gemeinsame Kontrolle in heterogenen Kleingruppen ermöglichen.
Verschiedene Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs und der Unterstützung im Unterricht
Weiterhin ist es von Bedeutung, dass alle Beteiligten den gesetzlich vorgeschriebenen Nachteilsausgleich gemeinsam abstimmen und Möglichkeiten der Entlastung festlegen, die abhängig von der konkreten Situation gewährt werden können bzw. müssen. Allein mehr Arbeitszeit zu geben ist oft nicht hilfreich.
Bewährt haben sich z. B. folgende Maßnahmen:

  • möglichst keine Abkürzungen bzw. Kurzformen verwenden („is not“ statt „isn’t“),
  • BUZZ- und Buddy-reading (Lesegemurmel, Partnerlesen),
  • gezielte Anleitung zur übersichtlichen Hefteinteilung,
  • liebevoll gestaltete Mindmaps anstelle von Stichpunktzetteln für das zusammenhängende Sprechen,
  • falsch geschriebene (aber lesbare) Vokabeln im Test als mündliche Leistung werten,
  • language support bei umfangreicheren schriftlichen Aufgaben und in Klassenarbeiten anbieten,
  • Mitlesen bei längeren Hör- und Lesetexten (die Schüler haben den Text vor sich liegen, können über Kopfhörer mithören und leise mitlesen, ggf. auch ein zweites Mal, wenn die Klasse schon mit der Textarbeit beginnt),
  • Nutzung elektronischer Wörterbücher.
  • Erfahrungen aus dem Englischunterricht mit Schüler/innen mit LRS
  • BUZZ-Reading (Lesegemurmel)
  • Mitlesen bei längeren Hör- und Lesetexten


Der Regelung folgend, dass die mündlichen Leistungen 60 % und die schriftlichen nur 40 % bei der Errechnung der Zeugniszensur ausmachen, hat jede Lehrkraft ausreichend Spielraum, die Mündlichkeit verstärkt zu fördern und zu bewerten.
Die Schülerinnen und Schüler haben sich ihre Lernschwierigkeiten nicht ausgesucht. Wir können und müssen ihnen aber helfen, damit ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gewährleistet ist.