Von Dr. Christiane Wotschack
„Das kint get ins Schwimbat.“ Stolz zeigt Merle den Anfang ihrer Geschichte. Schon beim ersten Lesen springen Ihnen wahrscheinlich die Rechtschreibfehler ins Auge und wie viele andere Eltern fragen Sie sich: Rotstift zücken oder tief durchatmen? Die gute Nachricht ist: Rechtschreibfehler sind ganz normal und gehören zum Lernprozess dazu. Wichtig ist, „wie“ wir mit den Fehlern umgehen. Die folgenden sechs Praxistipps können Ihnen helfen, Rechtschreibfehler Ihrer Kinder unterstützend und ohne Druck zu begleiten.
1. Tipp: Geduld mitbringen und Gelassenheit zeigen
Rechtschreibfehler gehören zum Lernen dazu und sind nicht vermeidbar. Sie sind ein konstruktiver Versuch, Sprache zu verschriftlichen. Es kann sein, dass Ihr Kind gerade eine neu gelernte Regel ausprobiert oder diese noch nicht ausreichend verinnerlicht hat, um sie beim Schreiben konsequent anzuwenden. Reagieren Sie bei Fehlern also gelassen, damit Sie Ihrem Kind nicht die Lust am Schreiben nehmen. Gerade Kinder, die gut erzählen können oder viel schreiben, produzieren mehr Fehler oder verwenden auch Wörter, deren Schreibung sie noch nicht sicher beherrschen. Es geht also nicht darum, Fehler zu vermeiden, sondern etwas zu lernen und eine positive Fehlerkultur aufzubauen.
2. Tipp: Nicht alle Fehler auf einmal korrigieren
Eine Korrektur aller Fehler kann gerade Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche schnell überfordern und entmutigen. Wählen Sie lieber ein bis zwei typische Fehler aus und besprechen Sie diese in Ruhe. Gehen Sie hierbei möglichst lernorientiert vor, d. h., wählen Sie Fehler aus, von denen Sie wissen, dass Ihr Kind die spezifische Rechtschreibregel schon kennt und verstanden hat (z. B. die Großschreibung von Nomen). Das hilft mehr, als den Text komplett mit Rotstift „auseinanderzunehmen“.
Die Befürchtung, Kinder prägen sich bei ihren ersten Schreibversuchen sofort die fehlerhafte Schreibung ein, ist ein Trugschluss. So funktioniert unser Gehirn nicht, sondern es braucht mehrere Wiederholungszyklen, damit Lerninhalte nachhaltig im Langzeitgedächtnis gespeichert werden.
3. Tipp: Erst loben, dann verbessern
Beginnen Sie immer mit dem Positiven und loben Sie z. B. Fortschritte oder die Kreativität Ihres Kindes („Deine Geschichte ist sehr spannend geschrieben!“ oder „Du hast einen wirklich langen Text geschrieben.“). Danach kann vorsichtig auf einige Fehler eingegangen werden. So fühlt sich Ihr Kind gesehen und bleibt motiviert, denn Motivation geht vor Perfektion. Ebenso sollten Sie Ihr Kind loben, wenn es selbstständig Fehler entdeckt.
4. Tipp: Gemeinsam hinschauen und erklären
Markierte Fehler allein helfen wenig. Lesen Sie den Satz oder Text Ihres Kindes gemeinsam durch und lassen Sie sich Schreibungen begründen. Stellen Sie z. B. Fragen wie: „Warst du dir bei dem Wort an einer Stelle unsicher mit der Schreibung?“ oder „Wie könntest du dieses Wort noch schreiben?“ Schreiben Sie das Wort ggf. richtig auf und sprechen Sie über die „merk-würdigen“ Stellen im Wort. Das wiederholte Reflektieren über die Schreibung, also das Nachdenken über und das Erinnern von Rechtschreibstrategien, führt letztendlich zur richtigen Schreibung, die sich langfristig einprägt. So stärken Sie das Gefühl für die Schriftsprache, ohne bei Ihrem Kind den Druck zu erhöhen oder Angst vor Bewertung aufzubauen.
5. Tipp: Wiederholte Fehler gezielt angehen
Wenn bestimmte Wörter immer wieder falsch geschrieben werden, hilft hier ebenfalls Geduld: Notieren Sie diese Wörter und besprechen Sie gemeinsam die Besonderheiten des Wortes. Vielleicht legen Sie eine kleine Wortliste oder Karteikarten an, damit Ihr Kind die Schreibweise dieser Wörter regelmäßig üben kann: Ihr Kind kann sich darin jeweils die schwierige Stelle des Wortes markieren und so versuchen, sich diese Wörter gezielt einzuprägen.
6. Tipp: Vorbild sein
Seien Sie Vorbild auch im Umgang mit Ihren eigenen Fehlern. Wenn Sie selbst etwas schreiben, lesen Sie es sich anschließend in Ruhe durch bzw. laut vor. Zeigen Sie Ihrem Kind, was Sie schreiben und dass auch Erwachsene über Wörter und ihre Schreibung nachdenken. Drücken Sie Ihre eigenen Unsicherheiten und Überlegungen beim Schreiben bestimmter Wörter oder Sätze aus. Zeigen Sie, welche Hilfsmittel Sie zur Fehlerkorrektur nutzen (z. B. Überprüfung im Wörterbuch). So sieht Ihr Kind, dass Fehler nicht schlimm sind und auch Erwachsene immer mal wieder über die Rechtschreibung nachdenken.
Zur Autorin:

Dr. Christiane Wotschack ist Leiterin des Fachbereichs Praxis der Duden Institute für Lerntherapie.