Lese-Rechtschreib-Schwäche

Lese-Rechtschreibförderung bei mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen

Für den Schriftspracherwerb bringen Kinder und Jugendliche, die Deutsch als Zweitsprache lernen, besondere Ressourcen mit. Diese können helfen, bestehende Schwierigkeiten zu bewältigen.

von Dr. Astrid Schröder

Kinder und Jugendliche, die Deutsch als Zweitsprache lernen, durchlaufen in der Regel die gleichen Erwerbsprozesse beim Schriftspracherwerb wie einsprachige Kinder und werden daher mit den gleichen didaktischen Methoden gefördert. Selbstverständlich bestehen zwischen ein- und mehrsprachigen Kindern dennoch Unterschiede, die im Rahmen der Förderung berücksichtigt werden sollten. Dies betrifft sowohl bestehende Schwierigkeiten als auch vorhandene Ressourcen.

Einbeziehen der Erstsprache

Mehrsprachige Kinder verfügen über eine wichtige Ressource, die in die Förderung einbezogen werden kann: die jeweilige Erstsprache. Durch das Erlernen mehrerer Sprachen zeichnen sich mehrsprachige Kinder oft über besonders gute metasprachliche Kompetenzen aus. Diese Kompetenzen können genutzt werden, indem im Rahmen der Förderung Sprach- und Schriftvergleiche zwischen der Erstsprache und der deutschen Sprache angeregt und aufgegriffen werden (z. B.: Gibt es diesen Laut in deiner Sprache? Welche Buchstaben schreibt man in deiner Sprache für diesen Laut? Wie heißt das Wort in deiner Sprache?). Ein Einbeziehen der Erstsprache unterstützt auch die Entwicklung des sprachlichen Selbstkonzepts, d. h. die Wahrnehmung der eigenen Stärken und Schwächen im sprachlichen Bereich. Dabei ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Lehrkraft oder die Lerntherapeutin auch selbst diese Sprache beherrscht. Im Gegenteil: Im besten Fall können die Lernenden sich selbst als Expertin oder Experte für ihre Erstsprache erleben.

Informationen über die Erstsprache

Gelingt es, sich über die Erstsprache der Lernenden zu informieren, bietet dies meist eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Eltern. Außerdem kann die Förderkraft dann bestimmte Schwierigkeiten beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch mitunter besser verstehen – z. B. wenn bestimmte grammatische Strukturen oder Laute in der Erstsprache gar nicht vorkommen. Einen kurzen Überblick über die Erstsprachen der Kinder liefern beispielsweise Sprachensteckbriefe, die im Internet frei verfügbar sind. Sie bieten für insgesamt 29 verschiedene Sprachen Informationen u. a. zu den Regionen und Ländern, in denen sie gesprochen werden, aber auch Hinweise auf sprachliche Besonderheiten sowie Hör- und Leseproben.

Lese-Rechtschreibförderung und Wortschatzerweiterung

Grundlage für die Förderung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten bei mehrsprachigen Kindern ist wie bei einsprachigen Kindern eine tiefgründige Diagnostik, aus der eine passgenaue Förderung abgeleitet werden kann. Die Inhalte der Förderung richten sich nach den individuellen Bedürfnissen des Kindes und den elementaren Entwicklungsschritten im Lese- und Rechtschreiberwerb.

Die Basis für den Erwerb der deutschen lautorientierten Alphabetschrift bildet die Aneignung der Laut-Buchstaben-Beziehungen. Darauf aufbauend werden die Kinder beim Erlernen der zugrunde liegenden und weiterführenden Rechtschreibstrategien unterstützt. Im Bereich des Lesens stehen in Abhängigkeit vom individuellen Förderschwerpunkt Übungen zur Lesetechnik, Leseflüssigkeit und zur Aneignung von Lesestrategien zur Verbesserung des Leseverständnisses im Vordergrund.

Parallel dazu sollte immer auch die Wortschatzförderung mit in den Blick genommen werden.

So bietet es sich z. B. an, unbekannte Wörter in einem eigens dafür angelegten Heft oder auf kleinen Karteikarten zu notieren und zur Veranschaulichung der Bedeutung eine Abbildung (ein Foto, eine Zeichnung ...) hinzuzufügen. Nomen sollten hier stets mit dem dazugehörigen Artikel (wie der Stuhl, die Zange) und ggf. auch mit den aus der DaZ-Förderung bekannten Farbpunkten für das Genus versehen werden. Verben können zur Verdeutlichung der Verbflexion jeweils in der gebeugten Form (z. B. ich lache, du lachst, er lacht …) notiert werden. Im Rahmen der Wortschatzarbeit kann immer auch die Familiensprache einbezogen werden, indem zusätzlich zum deutschen Wort das entsprechende Wort in der Erstsprache notiert wird: Dies unterstützt die Aktivierung des Bedeutungswissens und erleichtert die Verknüpfung zwischen der Bedeutung und dem neu zu lernenden deutschen Begriff, sodass eine gute Grundlage für die Entwicklung des Leseverständnisses und für das Schreiben eigener, bedeutungsvoller Texte in der Zweitsprache Deutsch entsteht.

Fazit

Mehrsprachige Kinder werden in der Lese-Rechtschreibförderung mit den gleichen didaktischen Methoden gefördert wie einsprachige Kinder. Zusätzlich werden weitere Aspekte aus dem Bereich der Sprach- und Wortschatzförderung mit einbezogen. Vorhandenes Wissen über die Erstsprache kann dabei als Ressource für die Entwicklung der Kompetenzen in Deutsch als Zweitsprache genutzt werden.

Autorin: Dr. Astrid Schröder

Dr. Astrid Schröder ist Leiterin für Forschung, Entwicklung und Weiterbildung sowie des Fachbereichs Deutsch der Duden Institute für Lerntherapie.

Literatur

  • Festman, J. (Hrsg.) (2021). Deutsch Lehren und Lernen ‒ diversitätssensible Vermittlung und Förderung. Münster: Waxmann.
  • Jeuk, S. & Aschenbrenner, K.-H. (2021). Deutschunterricht und Sprachförderung mit mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen. Grundlagen, Unterrichtsideen und Planungsinstrumente. Unter Mitarbeit von J. Benz und K. Holdorf. Berlin: Cornelsen.
  • Krifka, M., Blaszak, J., Leßmöllmann, A., Meinunger, A., Stiebels, B., Tracy, R. & H. Truckenbrodt (Hrsg.) (2014). Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.