von Marleen Dudjahn und Ramona Bauer
Herausforderungen des englischen Schriftsystems
Das Erlernen von Englisch als Fremdsprache stellt erfahrungsgemäß nicht nur Schülerinnen und Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) vor vielfältige Herausforderungen. Für Lernende mit LRS birgt es allerdings besondere Probleme: Anders als das Deutsche weist die englische Sprache sehr unregelmäßige Buchstabe-Laut-Beziehungen auf. Lernende müssen sich deshalb beim Schreiben unterschiedliche Verschriftungen für denselben Laut einprägen (z. B. den Vokallaut /i:/ in sea, bee, key) und beim Lesen unterschiedliche Aussprachen für bestimmte Buchstaben oder Buchstabenkombinationen herleiten (z. B. in head und tea). So kann nicht nur das Schreiben, sondern auch das Lesen auf Lernende mit LRS zunächst wie eine unlösbare Aufgabe wirken.
Lesenlernen mit der Ganzwortmethode
In der Grundschule lernen die Schülerinnen und Schüler das Lesen in der Fremdsprache Englisch überwiegend über die Ganzwortmethode (Frisch 2010, S. 112). Hierbei wird den Lernenden das Schriftbild des jeweiligen Wortes präsentiert und das Wort von der Lehrkraft vorgesprochen, wobei sie sich dieses ganzheitlich einprägen und mit der entsprechenden Aussprache und Bedeutung verknüpfen müssen. Vorteile sind, dass die Schülerinnen und Schüler schnell Zugang zu wichtigen Wörtern aus dem Grundwortschatz finden und erste Erfolgserlebnisse haben. Aufgrund des unregelmäßigen Buchstabe-Laut-Systems im Englischen können Lernende beim Auswendiglernen der zunehmenden Anzahl an Vokabeln allerdings schnell an ihre Grenzen kommen. Außerdem mangelt es ihnen oftmals an Strategien, um sich das Lautbild von unbekannten Wörtern selbst herzuleiten.
Lesenlernen mit Phonics Teaching
Im englischsprachigen Raum wird Lesen zwar auch mit der Ganzwortmethode gelehrt, allerdings wird diese durch Phonics-Programme ergänzt. Ein im englischen Sprachraum sehr verbreitetes Programm ist beispielsweise Letters and Sounds (DfES 2007). Beim Phonics Teaching lernen die Schülerinnen und Schüler systematisch die Beziehungen zwischen Buchstaben, Buchstabenkombination und Lauten kennen – denn obwohl die englische Schriftsprache eine große Varianz aufweist, gibt es doch Regelmäßigkeiten zu entdecken (z. B. wird die Buchstabenkombination „ee“ i. d. R. als langes /i:/ ausgesprochen)!
Während sich Schülerinnen und Schüler ohne Lernschwierigkeiten diese Regeln meist implizit (unbewusst) aneignen, profitieren Lernende mit LRS von dieser systematischen Heranführung an das englische Schriftsystem, weil sie die Buchstabe-Laut-Beziehungen explizit (bewusst) macht.
Dieses Bewusstmachen der Regelmäßigkeiten zwischen Schrift- und Lautbild ist ein wichtiger Aspekt beim Lesenlernen. Die dazugehörigen Übungen können auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen stattfinden.

Wirksamkeit des Phonics Teaching
Auch in Deutschland konnte in mehreren Studien der positive Einfluss des Einbezugs von Phonics-Übungen nachgewiesen werden. So zeigte sich in einer Vergleichsstudie, die den Leseerwerb im Englischunterricht in einer Grundschule untersuchte, dass Schülerinnen und Schüler, die nach dem Phonics-Konzept unterrichtet wurden, ihre Aussprache und das Leseverstehen kontinuierlich verbessern konnten. Dies traf insbesondere auf lernschwache Lernende zu. Eine Vergleichsgruppe, die nach der Ganzwortmethode unterrichtet wurde, zeigte zwar ein schnelleres Lesetempo als die Phonics-Gruppe, Aussprache und Leseverstehen verbesserten sich dabei allerdings nicht signifikant und die Anzahl der schwachen Lesenden nahm eher zu (Frisch 2013).
Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch in einer Untersuchung von Beinke (2020). Besonders positiv hervorzuheben ist also, dass sich die Phonics-Methode insbesondere für lernschwächere Schülerinnen und Schüler bzw. solche mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche eignet, weil sie das Entdecken der Regelmäßigkeiten in der englischen Schriftsprache aktiv unterstützt und sie so zum eigenständigen Lernen befähigt.
Literatur:
Beinke, A. (2020). Anbahnen von Schrift im Englischunterricht der Grundschule – Phonics als Ansatz für den Schriftspracherwerb in der Fremdsprache Englisch. Dissertation, Universität Bremen. Zur Publikation
Frisch, S. (2010). Bewusstmachende Verfahren beim Umgang mit dem Schriftbild im Englischunterricht der Primarstufe – erste Ergebnisse der LiPs Studie. In: B. Diehr & J. Rymarczyk (Hrsg.), Researching literacy in a foreign language among primary school learners. Forschung zum Schriftspracherwerb in der Fremdsprache bei Grundschülern (S. 107–130). Frankfurt a.M.: Peter Lang.
Frisch, S. (2013). Lesen im Englischunterricht der Grundschule – eine Vergleichsstudie zur Wirksamkeit zweier Leseverfahren. Tübingen: Narr Verlag.
Department for Education and Skills (DfES) (2007). Letters and Sounds. Principles and Practice of High Quality Phonics. Six Phase Teaching Program. Primary National Strategy. DfES Publications. Zur Publikation
Über die Autorinnen:
Marleen Dudjahn ist Leiterin des Fachbereichs Englisch und des Duden Instituts für Lerntherapie Berlin-Treptow.
Ramona Bauer ist Wissenschaftlich-therapeutische Mitarbeiterin im Fachbereich Deutsch und Englisch des Duden Instituts für Lerntherapie Berlin-Treptow.