„Es klappt ja wirklich!“

Interview zum Schulprojekt „Jedes Kind kann rechnen lernen.“ mit Simone Kiekbusch, teilnehmende Lehrerin in dem Projekt an der Brüder-Grimm-Grundschule Berlin:

Wie lange arbeiten Sie schon als Grundschullehrerin?
Seit 26 Jahren.

Seit wann läuft das Projekt mit Ihrer Klasse? In welcher Klassenstufe waren die Kinder, als es begann? In welcher sind sie jetzt?
Das Projekt begann im Oktober 2013 mit den Kindern der Klasse 1. Nun sind sie unsere Zweitklässler.

Warum haben Sie mit Ihrer Klasse bei diesem Projekt mitgemacht? Hatten Sie Einfluss auf die Entscheidung oder wurde diese von der Schulleitung getroffen?
In der Fachkonferenz Mathematik hörten wir Mathematik unterrichtenden Kolleginnen von einem Projekt zur „Vermeidung/Vorbeugung von Rechenschwäche“ innerhalb des Unterrichts. Wir Lehrerinnen der jahrgangsübergreifenden Lernklassen 1-3 beschlossen, gemeinsam an dem Projekt mitzuarbeiten, und wurden dann auch von der Schulleitung unterstützt.

Es gab in den letzten Jahren viele Reformen an Berliner Schulen. Dann kam dieses Projekt, bei dem Erfahrungen aus der Lerntherapie für rechenschwache Kinder vermittelt werden sollten. Mit welchen Erwartungen sind Sie in dieses Projekt gestartet?
Eine Lerntherapie mit einem Kind erfolgreich durchzuführen ist schon eine Herausforderung. Aber wie funktioniert das wohl in einer ganzen Klasse mit 24 Kindern und zusätzlich noch jahrgangsgemischt? Das wollte ich gern herausfinden.

Was hat sich durch dieses Projekt für Sie in Ihrem Mathematikunterricht verändert?
Ich nutze nun die verabredeten Übungen zur Zahlraumorientierung und das dazu benötigte Material: rote und blaue Plättchen, Einerwürfel, Zehnerstangen, Hunderterplatten … Andere Hilfsmittel, z. B. die Rechenmaschine, sind in einem Karton verstaut und kommen nicht mehr zum Einsatz. Seiten aus den Arbeitsheften, die für viele Kinder eher verwirrend und unverständlich sind, lasse ich nun guten Mutes einfach weg und übe lieber mit ihnen unser „Augenrechnen“. Da meine Kolleginnen ja das Gleiche üben, findet ein wichtiger Erfahrungsaustausch statt.

Gab es zwischendurch etwas, was Sie sehr überrascht hat?
„Es klappt ja wirklich!“, das habe ich ganz oft zwischendurch gedacht.

Wie haben die Kinder reagiert? Gab es einzelne Situationen mit den Kindern, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Die verschiedenen Übungen machen den Kindern Spaß. Sie werden mit der Zeit immer sicherer und wollen dann von sich aus auch gern ins nächste „Level“ übergehen. Oft trainieren wir die richtige Sprechweise. Die Kinder geben sich dabei sehr viel Mühe. „Das ist so anstrengend wie Ausdauerlauf.“

Führen die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen aus Ihrer Sicht zu einer dauerhaften Veränderung beim Unterrichten? Falls ja, warum erwarten Sie dies?
Ich denke, ich werde auch in Zukunft meinen Mathematikunterricht genau so planen und durchführen. Ich arbeite auch mit den neuen Erstklässlern in dieser Art und Weise und kann bereits wieder die Erfolge beobachten.

Ist es mit diesem Projekt geglückt, die 1. Klasse so zu führen, dass es am Ende des ersten Schuljahres keine „zählenden Rechner“ in Ihrer Klasse gab?
Ja.

Wie fällt zum jetzigen Zeitpunkt Ihre Bilanz aus, wenn Sie sich an Ihre Erwartungen vom Anfang erinnern?
Es lohnt sich, den Mathematikunterricht so aufzubauen. Man muss sich jedoch an die Sequenzen halten und kontinuierlich in gleicher Weise weiterarbeiten. Dabei hilft es sehr, wenn man sich mit Kolleginnen in regelmäßigen Abständen austauschen kann.

Was hätte man in diesem Projekt anders machen sollen?
Ein wenig mehr Zeit am Anfang hätte ich mir gewünscht, um mich auf die ersten Sequenzen vorbereiten zu können.

Wenn Sie Ihre Erfahrungen mit diesem Projekt in einem Satz ausdrücken sollten: Welcher Satz wäre das?
Noch einmal: Es klappt wirklich und somit hat sich die Mitarbeit an diesem Projekt gelohnt.

Gibt es sonst noch etwas, was Ihnen besonders wichtig ist?
Es ist für mich wichtig, dass dieses Projekt nun nicht einfach endet. Wir wollen gern auch im kommenden Schuljahr im Projekt weiterarbeiten. Wir empfinden die Zusammenarbeit als Unterstützung innerhalb des täglichen Mathematikunterrichts.

Das Gespräch führte Doris Friedrich, Duden Institute für Lerntherapie.