Rechenschwäche

Erfolgreiches Lernen für Kinder mit Schwierigkeiten

Unzureichende Grundvorstellungen erschweren die Übungsprozesse bei Kindern mit Lernschwierigkeiten.

Üben braucht Vorstellungen

Dass Üben bei Kindern mit Lernschwierigkeiten häufig ein mühsamer und wenig erfolgversprechender Weg ist, ist allgemein bekannt. Unter anderem erschweren unzureichende Vorstellungsfähigkeiten und Grundvorstellungen zu den Lerninhalten die Übungsprozesse. Die Merkfähigkeit erscheint schlecht, wenn das gestern Geübte heute nicht mehr abrufbar ist. Wie kann das Kind tatsächlich weiterkommen?

Ohne Frage, Übung macht immer noch den Meister und es bedarf vieler Wiederholungen, um zum Experten in einer Sache zu werden. Das betrifft das Klavierspiel ebenso wie das Rechnenlernen.

Regelmäßig wiederholen

Es scheint so einfach, dass es gar nicht aufgeschrieben werden muss, aber ein kontinuierliches Dranbleiben lohnt sich, sofern grundlegende Voraussetzungen gelegt sind. Die ausgewählten Aufgaben sollten zunächst in ihrer Struktur beibehalten werden. Ein guter Lerneffekt ist erreicht, wenn das Kind selbst eine passende Aufgabe bilden kann. Übungszeiten sollten vereinbart und transparent gemacht werden, z. B. in einem Kalender. Gut ist es darauf zu achten, dass 15 bis 20 Minuten nicht überschritten werden. Nutzt man die sogenannte Methode des lauten Denkens und lässt das Kind sein Vorgehen kommentieren und erklären, gewinnen Kind und Erwachsener Klarheit.

Der Weg ist das Ziel

Zunächst muss man sich darüber klar werden, dass es verschiedene Strategien zur Bewältigung einer Aufgabe gibt. Was macht die eine zu einer guten und eine andere zu einer weniger guten Strategie? Möglicherweise funktioniert eine Strategie, wenn das Kind in Ruhe am Schreibtisch überlegen kann, in der komplexen Schulsituation jedoch nicht. Sie beinhaltet möglicherweise zu viele Schritte, die das Arbeitsgedächtnis und die Konzentration zu sehr beanspruchen, sodass sie fehleranfällig ist, oder nicht dazu taugt, auf neue Aufgabensituationen übertragen zu werden.

In den Schulmaterialien werden immer wieder neue Übungsvarianten angeboten, sodass die Kinder Übungsinhalte auf vielfältige Weise einbetten. Ein Problem für viele Kinder mit Lernschwierigkeiten (und ihre Familien) ist jedoch, dass ihnen nicht deutlich wird, dass in diesen unterschiedlichen Formaten wieder vertraute Strategien genutzt werden sollen. Das Einlassen auf Aufgaben, die in Form von Tabellen, Rechenmauern o. Ä. dargeboten werden, ist dann schwer. Gemeinsam zu überlegen, welche Aufgabe sich hinter einer anderen Form verbirgt, und ob man eine solche Aufgabe nicht schon einmal bearbeitet hat, entlastet die Kinder.

Motivation erhalten

Anteilnahme und Aufmerksamkeit tun allen Kindern gut. Sind wir aufmerksam auch für kleine Fortschritte, loben angemessen und reagieren gelassen auf Fehler, fällt das Üben beim nächsten „Termin“ leichter. Auch die Wahlmöglichkeit von Hilfsmitteln stärkt die Erfahrung der Kinder, selbst wirksam werden zu können. Ruhe- bzw. Bewegungspausen sorgen dafür, dass Konfliktsituationen gar nicht entstehen oder rechtzeitig gemindert werden können. Sorgen die Erwachsenen mit der Auswahl der Aufgaben dafür, dass Erfolge eintreten und die Aufgaben dennoch als lösbare Herausforderung empfunden werden, macht das Üben auch Freude.

Zwei Beispiele für Übungsbegleitung

Zehnerergänzung Das Rechnen im Zahlenraum bis 10 ist überschaubar, man sollte meinen, dass Additions- und Subtraktionsaufgaben mit regelmäßiger Übung leicht automatisiert werden können. Es empfiehlt sich jedoch nicht, diese Aufgaben wie ein Gedicht auswendig zu lernen. Die letztlich eintretende Automatisierung muss durch gute Vorstellungen unterstützt werden, damit eine Basis für die Zahlvorstellungen und das Rechnen mit größeren Zahlen gelegt ist. Das Ergänzen von einer Zahl bis 10 (oder Vielfachen von 10) ist ein wichtiger Übungsinhalt, um darauf basierend Rechenstrategien aufzubauen. Die Automatisierung der Zehnerergänzung mit der Entwicklung von Zahlvorstellungen zu verbinden kann folgendermaßen gelingen: Das Kind legt seine Hände auf den Tisch. Ein Stift wird zwischen zwei Finger positioniert. Das Kind sagt, wie viele Finger links vom Stift und wie viele Finger rechts vom Stift sind. Für die Situation in der Abbildung würde es heißen „drei und sieben“. Dann wird der Stift an eine andere Stelle gelegt, das Kind erfasst die Anzahl der Finger und spricht dazu.

Am Anfang sollte der Stift von links beginnend die Hände „durchwandern“ und anschließend rückwärts von rechts. Später kann er durcheinander an beliebiger Stelle platziert werden. Ein weiterer Schritt kann sein, mit verbundenen Augen zu üben. Das macht vielen Kindern Spaß – und das können auch gern Eltern probieren, sodass ihr Kind in die Position des Anleiters schlüpft.

Ähnlich kann auch mit Materialien oder Zahlbildern vorgegangen werden, die das Kind in der Schule verwendet. Eine Zahl wird mit Material dargestellt oder ihr Bild wird gezeigt, das Kind erklärt, wie viel zu ergänzen ist und woran es das sieht.

Automatisierung der Malfolgen Einer der wenigen Inhalte des Mathematikunterrichts, die tatsächlich gedächtnismäßig automatisiert werden müssen, sind die Malfolgen des kleinen Einmaleins. Eine Herangehensweise dabei in der Schule ist, ausgewählte Aufgaben einzuprägen (die Malfolgen 2, 5, 10 und die Quadratzahlen) und die anderen Aufgaben davon abzuleiten, z. B. 7 • 6 = 6 • 6 + 1 • 6. Für viele Kinder bringen diese „Anker“ den gewünschten Effekt, dass nach einiger Zeit alle Aufgaben aus dem Gedächtnis abgerufen werden können. Gleichzeitig lernen sie etwas über die Zusammenhänge von Aufgaben. Für Kinder mit Lernschwierigkeiten birgt dieser Weg oft zusätzliche Schwierigkeiten, da sich ihnen diese Beziehungen nicht erschließen. Es empfiehlt sich dann, eine systematische Automatisierung anzustreben. Einige Regeln für ein erfolgreiches Üben sind:

  • Die Aufgaben einer Malfolge aufschreiben, z. B. auf Kärtchen.
  • Täglich ca. 10 Minuten mit den Kärtchen lernen, dabei die gesamte Aufgabe vom Kind sprechen lassen. Die Aufgabe kann vom Kärtchen abgelesen werden. Es ist ungünstig, wenn das Kind zu einem Ergebnis grübelt. Besser ist es dann, es kann das Ergebnis zügig ablesen.
  • Wenn es gut klappt – sich gemeinsam freuen! Nicht die Malfolge wechseln, da es zu einer Überlagerung der Inhalte kommen kann. Das Üben der ausgewählten Malfolge für mind. zwei Wochen beibehalten, wobei in der zweiten Woche an jedem zweiten Tag geübt werden sollte.

Sind die ersten Malfolgen dann sicher gelernt, kann man die Aufgaben verschiedener Folgen gemischt erfragen.

Durch Üben zu Routinen zu finden entlastet Gedächtnis und Konzentration, sodass die Bearbeitung von Anwendungen und komplexen Aufgaben möglich wird. Ohne Grundvorstellungen geht es jedoch nicht. Ein Ziel der Lerntherapie ist es diese zu gewinnen, damit auch das Üben effektiv wird.

von Jana Köppen, Leiterin des Fachbereichs Mathematik der Duden Institute für Lerntherapie