Buchtipp: ADHS

Katja Heinrich und Jörg Letzel: ADHS? Ein Buch von Kindern.
Militzke Verlag, Leipzig 2011
56 Seiten, 10 Euro
ISBN 978-3861898399

In „ADHS? Ein Buch von Kindern“ stellen neun Schüler einer mitteldeutschen Förderschule ihre Sicht der Dinge dar. Die Jungen besuchen diese Schule, weil ihnen „emotional-soziale Entwicklungsstörungen“ und „ADHS“ attestiert wurden. Sie schreiben über ihre Stärken und Schwächen, formulieren Wünsche und Bitten an ihre Eltern, thematisieren ihren Umgang mit Wut und schlimme Erlebnisse in der Klasse – und äußern sich zu ihrer Lehrerin, die das Buchprojekt angestoßen und die einzelnen Themen angeregt hat.

Man merkt den oft sehr kurzen Texten an, dass sie im Schulzusammenhang entstanden sind. Die Schüler schreiben nicht (nur) aus eigenem Antrieb, sondern erfüllen einen Auftrag. Oft nutzen sie aber dankbar die Gelegenheit, sich auszudrücken und sich auch gegen den Schulbetrieb auszusprechen. So schreibt „Cit“, der sich für das Buch den Namen des Faultieres aus dem Animationsfilm „Ice Age“ gegeben hat, dass es ihn wütend macht, „wenn man noch dies und das machen muss“, „wenn man sich beeilen muss“ oder „wenn man dann noch die Hausaufgaben machen muss“ usw. Außerdem ist er sich sicher: „Ein Gespräch hilft nicht“ gegen seine Wut.

Einige Texte sind im Original abgebildet; andere wurden vom Mitherausgeber und Schulsozialpädagogen abgetippt und orthografisch korrigiert. Da sie aber erkennbar nicht inhaltlich verändert wurden, entsteht ein lebendiges Bild der Lebens- und Schulsituation der Jungen. Die Beiträge der Erwachsenen machen deutlich, mit wie viel Einsatz und gegen welche Widerstände sie oft arbeiten, aber auch, welche Erfolge sie erleben dürfen.

Es handelt sich um ein einzigartiges und sehr authentisches Buch, das die Krankheit ADHS gut durch den Kindermund beschreibt. Wenn man die Fülle der ganz unterschiedlichen Probleme der Jungen betrachtet, ist aber vielleicht die Frage gerechtfertigt, ob man sie wirklich alle unter der plakativen Überschrift „ADHS“ zusammenfassen kann. Die Tatsache, dass nur Jungen an diesem Buchprojekt mitwirkten, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Mädchen von ADHS betroffen sein können, sich die Krankheit bei ihnen aber anders als bei den vorgestellten Schülern äußern kann.

Das Buch ist ein Hingucker, der eindeutig zwischen den zahlreichen psychologischen und pädagogischen Ratgebern und medizinischen Lehrwerken zu dieser Thematik heraussticht.