Buchtipp: Zur Diagnostik in der Lerntherapie – im Handbuch Inklusive Diagnostik


Rezension:

Altenrichter, Birgit (2015). Diagnostik in der Lerntherapie am Beispiel der Lese-Rechtschreib-Schwäche und Rechenschwäche.
In: Holger Schäfer, Christel Rittmeyer (Hg.), Handbuch Inklusive Diagnostik, Weinheim, Basel: Beltz, 462-477

Von Dr. Lorenz Huck, Duden Institute für Lerntherapie


Die Umsetzung des Artikels 24 der UN-Behindertenkonvention fordert vom deutschen Bildungssystem eine Entwicklung hin zur inklusiven Schule. Es soll selbstverständlich werden, dass jedes Kind in der Schule die Förderung erhält, die seinen besonderen Fähigkeiten und Schwierigkeiten entspricht. Schon im Ansatz soll dadurch verhindert werden, dass Kinder, die von Behinderungen betroffen sind, ausgegrenzt werden. Mittlerweile gibt es in allen Bundesländern Bemühungen, sich der Idealvorstellung eines inklusiven Schulsystems anzunähern. Dabei werden aber auch die praktischen Schwierigkeiten immer deutlicher, die diesen Bemühungen entgegenstehen.

Vor diesem Hintergrund informiert das von Holger Schäfer und Christel Rittmeyer herausgegebene „Handbuch Inklusive Diagnostik“ Pädagoginnen und Pädagogen darüber, wie die individuellen Kompetenzen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen durch eine fachübergreifende Diagnostik erfasst werden können. Dazu werden Tests und andere Beobachtungsinstrumente vorgestellt und in Beziehung gesetzt.

Zu den Autorinnen und Autoren zählen Universitätsprofessorinnen und -professoren aus der Allgemeinen Pädagogik und Sonderpädagogik, der Psychologie und Fachdidaktik – aber auch sachkundige Praktiker/-innen, die Erfahrungen aus der Arbeit in unterschiedlichen Feldern einbringen. In diesem Kontext stellt Birgit Altenrichter, Leiterin des Duden Instituts für Lerntherapie Düsseldorf, das Diagnoseverfahren vor, das an den Duden Instituten für Lerntherapie eingesetzt wird.

Altenrichter führt in die Ursachen für die Entwicklung einer Rechen- oder Lese-Rechtschreib-Schwäche ein, umreißt das Konzept der integrativen Lerntherapie in den Duden Instituten für Lerntherapie und diskutiert, welchen Stellenwert quantitative und qualitative Diagnostik in der Vorbereitung des therapeutischen Prozesses haben.
Anschließend stellt sie in wesentlichen Zügen das Diagnoseverfahren vor, das sich in der Arbeit der Duden Institute seit über 20 Jahren bewährt hat:

  • Es werden Lernvoraussetzungen für das Erlernen des Lesens und Schreibens bzw. der Mathematik untersucht. Dabei geht es beispielsweise um die Fähigkeit, ähnlich aussehende Zeichen und ähnlich klingende Laute unterscheiden zu können, oder um räumliches Vorstellungsvermögen und Orientierungsfähigkeit.
  • Im Gespräch mit den Eltern wird die Entwicklungsgeschichte des Kindes beleuchtet und es werden die Bedingungen des Lernumfelds erfragt.
  • Der Stand des Kindes im jeweiligen Problemfach wird erhoben und im Gespräch in Erfahrung gebracht, wieweit das Kind schon über wichtige Kenntnisse und Strategien verfügt: Je nach der individuellen Ausgangslage kann z. B. beim Schreiben die phonematische Strategie im Mittelpunkt stehen, die es ermöglicht, lauttreue Wörter wie „Telefon“ richtig zu schreiben, oder die weiterführenden orthografischen, morphematischen und wortübergreifenden Strategien, die es erlauben, auch Wörter wie „Fahrrad“ so zu schreiben, wie sie im Duden zu finden sind. In der Mathematik geht es darum, wieweit ein Kind Vorstellungen zu Zahlen, Rechenoperationen und Größen sowie zur Geometrie (evtl. auch zu Inhalten des Mathematikunterrichts an der weiterführenden Schule,
    z. B. Variablen und Gleichungen) entwickelt hat, ob es bereits effektive Rechenstrategien nutzen kann und über automatisiertes Wissen verfügt.

Altenrichter resümiert: „Das Kind wird mit einer qualitativen Diagnostik dort abgeholt, wo es in seiner Lernentwicklung steht. Die umfassende Diagnostik sollte deshalb den ersten Schritt zur Förderung darstellen.“

Mit dem Diagnosekonzept der Duden Institute für Lerntherapie stellt Birgit Altenrichter ein praktisch bewährtes Verfahren vor, nennt aber auch allgemeine Gesichtspunkte, anhand derer diagnostische Vorgehensweisen beurteilt werden können. Ihr Beitrag ist damit für Fachleute, aber auch für solche Eltern lesenswert, die angesichts einer großen Zahl von Angeboten nach Orientierung suchen.