Jedes Kind kann rechnen lernen – ein besonderes Schulprojekt

Von Dr. Andrea Schulz, Leiterin der Duden Institute für Lerntherapie

Unsere Duden Institute gibt es nunmehr seit 23 Jahren und wir haben in dieser Zeit durchgängig gut mit Schulen zusammengearbeitet: Wir haben regelmäßige Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern unserer Therapiekinder geführt, teilweise unsere Therapien in die Räume von Schulen verlegt, aber uns auch unmittelbar in die schulische Förderung eingebracht, indem wir Projekte initiiert und zum Beispiel mit rechenschwachen Schülern der damaligen Haupt- und Förderschulen in Kleingruppen gearbeitet haben.

Für uns war es ein Glücksfall, dass wir in unserem 20. Jahr ein Schulprojekt der besonderen Art aufbauen durften, das aktuell noch läuft. Wir konnten mit den Lehrkräften gemeinsam erproben, was man in den ersten Schuljahren dazu beitragen kann, jedes Kind zum erfolgreichen Rechnen zu führen. Initiiert durch das Pädagogische Informationszentrum in Berlin-Mitte haben wir Schulen gesucht, die sich eine Arbeit im „Expertenteam“ vorstellen konnten. Das heißt, alle Lehrer/ innen der 1. Klassen einer Schule bilden ein Team und lassen sich von einer Lerntherapeutin in ihrer Arbeit begleiten.

Wie sieht die Zusammenarbeit in einem Expertenteam aus?

Lehrer/-innen kennen ihre Kinder am besten und haben die Entwicklung aller Schüler im Blick. Sie merken beizeiten, welche Kinder gut und problemlos vorankommen, im Unterricht mitarbeiten und Lernerfolge haben. Sie spüren aber auch, welchen Kindern das Lernen im Unterricht schwerer fällt, welche Kinder Entwicklungsverzögerungen haben, vergleichbar sind mit jüngeren Kindern, wenig Lernerfolge haben und darunter leiden. Und sie kennen am besten die Bedingungen und Möglichkeiten der Hilfe an ihrer Schule. Häufig erhalten dann Kinder mit Lernschwierigkeiten mehr Erklärung und Förderung, auch über den Unterricht hinaus – aber bei manchen Kindern reicht das nicht aus.

Lerntherapeuten sind spezialisiert darauf, wie „die Mathematik in den Kopf eines Kindes“ kommt, welche Schwierigkeiten dabei auftreten können und wie man grundlegende Fähigkeiten (weiter-)entwickelt, damit ein Kind fundamentales mathematisches Verständnis aufbauen kann. Dies in der Einzelarbeit mit einem Kind während einer integrativen Lerntherapie erfolgreich umzusetzen ist die Kompetenz, die wir in 20 Jahren entwickelt haben.

Unsere gemeinsame Aufgabe im Schulprojekt sahen wir darin, mit den Lehrkräften grundlegende Übungssequenzen für das Mathematiklernen zu bestimmen, zu diskutieren, einzuüben (Was muss ich als Lehrer/-in tun?) und so lange im Unterricht einzubauen, bis alle Kinder die notwendigen Lernfortschritte erreicht haben. Wichtige Übungssequenzen zum Entwickeln von Fähigkeiten wie Vorstellung, Orientierung und Abstraktion sollten mit dem Aufbau von grundlegenden mathematischen Inhalten verbunden werden. Einige Beispiele dazu haben wir im letzten Newsletter vorgestellt.

Welche Ergebnisse konnten wir gemeinsam erzielen?

Unser erstes Schulprojekt vor drei Jahren dauerte 10 Wochen. Das heißt, wir hatten zehn grundlegende Sequenzen mit einer Dauer von 10 bis 15 Minuten definiert, genau beschrieben und mit den Lehrkräften eingeübt. Diese wurden jeweils eine Woche lang in allen 1. Klassen einer Schule umgesetzt. Dann wurde in den Klassen hospitiert und wir konnten gemeinsam die Erfolge besprechen, auftretende Fragen klären, Beobachtungen diskutieren ... Es war für beide Seiten jeweils eine sehr fruchtbare Erfahrung. Das Feedback der Lehrer/ innen war durchweg positiv, nur wünschten sich alle Beteiligten mehr Zeit zur Umsetzung der Sequenzen. So wurde gemeinsam die Idee geboren, die Sequenzen für jeweils einen Monat im Unterricht zu üben und damit am Schuljahresanfang zu beginnen.

Ein Anschlussprojekt haben wir in fünf Berliner Schulen für die 1. Klassen über ein gesamtes Schuljahr durchgeführt. Es hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht und wir konnten viel voneinander lernen. Wichtige Inhalte der Sequenzen für Erstklässler waren zum Beispiel: Entwicklung von Zahlvorstellungen und Aufbau des Zahlenraums bis 20, Entwicklung von Handlungsvorstellungen zu Rechenoperationen, Entwicklung effektiver Rechenstrategien, aber auch Entwickeln von Vorstellungen zu Körpern und Flächen. Und es wurde viel von den Kindern dazu gesprochen. Mit diesen Sequenzen wollten wir erreichen, dass kein Kind weit hinter den anderen zurückbleibt, sondern dass alle Kinder sich ein erstes Verständnis zu grundlegenden mathematischen Inhalten aufbauen können.

Jetzt arbeiten wir an zwei Schulen im Fortsetzungsprojekt. Unsere Kinder sind inzwischen Zweitklässler. Sie haben sich den Zahlenraum bis 100 sicher aufgebaut, können über die Anordnung von Zahlen reflektieren und haben gute Rechenstrategien verinnerlicht, die sie auch erklären können.

Unsere nächsten Ziele in der Zusammenarbeit mit Lehrerinnen und Lehrern

Gern möchten wir das Schulprojekt mit unseren Kindern auch im nächsten Schuljahr fortführen – das wünschen sich die Kinder, ihre Lehrer/-innen und wir gemeinsam. Es ist inzwischen eine sehr vertrauensvolle und anregende Zusammenarbeit geworden.